Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Zweigpraxisgenehmigung. keine Anfechtungsbefugnis von anderen Vertragsärzten. Beurteilungsspielraum einer Kassenärztlichen Vereinigung über Versorgungsverbesserung oder -beeinträchtigung. Vorliegen einer Versorgungsverbesserung. Fortgeltung der Zweigpraxisgenehmigung

 

Orientierungssatz

1. Vertragsärzte sind nicht berechtigt, die einem anderen Vertragsarzt erteilte Genehmigung zum Betrieb einer Zweigpraxis an einem anderen Standort anzufechten (vgl BSG vom 28.10.2009 - B 6 KA 42/08 R = BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3).

2. Die inhaltliche Bewertung, ob sich durch den Betrieb der Zweigpraxis eine Versorgungsverbesserung am Ort der geplanten Zweigpraxis und/oder eine Versorgungsbeeinträchtigung am Ort der Hauptpraxis ergeben, erfordert Abwägungen, bei denen der Kassenärztlichen Vereinigung ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist (vgl BSG vom 28.10.2009 - B 6 KA 42/08 R aaO und vom 9.2.2011 - B 6 KA 3/10 R = BSGE 107, 230 = SozR 4-5525 § 24 Nr 2 und BSG vom 9.2.2011 - B 6 KA 7/10 R = SozR 4-5520 § 24 Nr 5).

3. Zum Vorliegen einer Verbesserung der Versorgung (vgl ua BSG vom 9.2.2011 - B 6 KA 3/10 R aaO).

4. Sind die Drittwidersprüche insgesamt offensichtlich unzulässig, entfalten sie keine aufschiebende Wirkung. Die Zweigpraxisgenehmigung wirkt daher vorerst weiter fort.

 

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Widersprüche der Beigeladenen zu 1) und 2) vom 12.03.2014 sowie der Beigeladenen zu 3) bis 5) vom 28.03.2014 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16.01.2014 keine aufschiebende Wirkung haben.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller ist Facharzt für Augenheilkunde mit Vertragsarztsitz in 00000 F, W-straße 00. Auf seinen Antrag erteilte ihm die Antragsgegnerin nach Einholung einer Stellungnahme ihrer Kreisstelle Essen mit Bescheid vom 16.01.2014 die Genehmigung der Tätigkeit in einer Zweigpraxis in 00000 F, X-straße 0 - 00. Diesem Bescheid widersprachen die Beigeladenen zu 1) bis 5). Sie hielten die vertragsaugenärztliche Versorgung der Patienten im Essener Norden durch ihre Praxen sowie die Praxis der Kollegin Q1 als Nebenbetriebsstätte der Gemeinschaftspraxis L et al. im benachbarten Stadtteil Katernberg für in überdurchschnittlichem Maße sichergestellt.

Mit Bescheid vom 03.06.2014 nahm die Antragsgegnerin den Genehmigungsbescheid vom 16.01.2014 zurück: Durch die Drittwidersprüche habe sie davon Kenntnis erhalten, dass im direkten Umfeld der Zweigpraxis Fachärzte für Augenheilkunde über freie Kapazitäten verfügten. Damit könne nun nicht mehr von einer Verbesserung der Versorgung am Ort der Zweigpraxis ausgegangen werden. Da die erneute Überprüfung der Voraussetzungen auf die Drittwidersprüche hin ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Genehmigung der beantragten Zweigpraxis nicht vorlägen, sei die ursprünglich erteilte Genehmigung gemäß § 49 SGB X zu widerrufen gewesen. Aufgrund der mit den Drittwidersprüchen verbundenen aufschiebenden Wirkung dürften in der Zweigpraxis keine Leistungen mehr erbracht werden. Diesem Rücknahmebescheid widersprach der Antragsteller fristgerecht.

Unter dem 17.06.2014 bat der Antragsteller die Antragsgegnerin um schriftliche Bestätigung, dass seinem Widerspruch gegen den Rücknahmebescheid vom 03.06.2014 aufschiebende Wirkung zukomme. Mit weiterem Schriftsatz vom 15.07.2014 äußerte er die Rechtsauffassung, die Drittwidersprüche der Beigeladenen zu 1) bis 5) seien mangels Anfechtungsbefugnis offensichtlich unzulässig mit der Folge, dass diese keine aufschiebende Wirkung hätten. Sollte sich die Antragsgegnerin dieser Rechtsauffassung nicht anschließen wollen, beantrage er, die Drittwidersprüche unverzüglich zurückzuweisen. Hierzu teilte ihm die Antragsgegnerin unter dem 17.07.2014 mit, durch die Rücknahme der Genehmigung für die Tätigkeit in der Zweigpraxis sei über die Drittwidersprüche nicht mehr zu entscheiden. Somit entfalte der Widerspruch nach wie vor aufschiebende Wirkung. Daher könne seinem Wunsch nur entsprochen werden, indem die Antragsgegnerin über seinen Widerspruch entscheide.

Die Antragsgegnerin hat bisher über keinen der Widersprüche entschieden. Nach Vortrag des Antragstellers hat sie zu verstehen gegeben, dass sich ihr Widerspruchsausschuss jedenfalls nicht vor dem 13.10.2014 mit der Angelegenheit beschäftigen und Entscheidungen treffen werde.

Am 25.08.2014 hat der Antragsteller um gerichtlichen Eilrechtsschutz nachgesucht.

Er ist der Ansicht, die Drittwidersprüche der Beigeladenen zu 1) bis 5) hätten keine aufschiebende Wirkung, denn sie seien angesichts der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 28.10.2009 - B 6 KA 42/08 R -) als offensichtlich unzulässig anzusehen. Danach seien niedergelassene Vertragsärzte grundsätzlich nicht berechtigt, Rechtsmittel gegen Zweigpraxisgenehmigungen zugunsten anderer Ärzte einzulegen. Da die Antragsgegnerin zu Unrecht von der aufschiebenden Wirkung der Drittwidersprüche ausgehe, bestehe ein entsprechendes (negativ...

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