Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch Asylbewerberleistungsbeziehers auf das soziokulturelle Existenzminimum
Orientierungssatz
1. Nach § 1 a AsylbLG können die Leistungen bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift auf das im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar gebotene eingeschränkt werden.
2. Die nicht zu unterschreitende Grenze einer Anspruchseinschränkung ist dabei das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum gem. Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG zur Führung eines menschenwürdigenden Lebens (Anschluss: SG Altenburg, 11. Oktober 2012, S 21 AY 3362/12 ER, SG Lüneburg, 25. Oktober 2012, S 26 AY 4/11).
3. Dies gilt ebenfalls für das soziokulturelle Existenzminimum.
Tenor
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin zu 2) über die bereits bewilligten Leistungen hinaus monatlich 120,65 Euro und den Antragstellern zu 3), zu 4), zu 5) und zu 6) über die bereits bewilligten Leistungen hinaus monatlich 86,33 Euro bis zu einem bestandskräftigen Abschluss des Widerspruchsverfahrens zu bewilligen. Im Übrigen werden die Anträge abgelehnt.
Die Antragsgegnerin trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu 2), zu 3), zu 4), zu 5) und zu 6). Im Übrigen werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
Den Antragstellern zu 2), zu 3), zu 4), zu 5) und zu 6) wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwaltes L1 in L2 gewährt. Der Antrag des Antragstellers zu 1) auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
Der von den Antragstellern am 25.09.2012 gestellte Eilantrag,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom heutigen Tage gegen den Kürzungsbescheid vom 13.09.2012 anzuordnen bzw. wiederherzustellen,
hilfsweise dem Antragsgegner aufzugeben den Antragstellern vorläufig ungekürzte Leistungen nach §§ 1,3 AsylbLG in Höhe der Übergangsregelung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2012 zu gewähren,
hat im tenorierten Umfang Erfolg.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches der Antragsteller gegen den Bescheid vom 13. September 2012 ist bereits mangels Vorliegens des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Es ist nämlich nicht erkennbar, welchen Vorteil die Antragsteller aus einer solchen Anordnung erlangen könnten. Insbesondere hätte die o. a. Anordnung nicht ohne Weiteres einen Anspruch der Antragsteller auf Zahlung der von ihnen begehrten Leistungen zur Folge, da der für den streitigen Zeitraum erforderliche Bewilligungsbescheid der Antragsgegnerin auch bei Vorliegen der o. a. Anordnung nicht vorhanden wäre.
Der auf die Gewährung einstweiligen Rechtschutzes gerichtete Hilfsantrag der Antragsteller zu 2), zu 3), zu 4), zu 5) und zu 6) ist jedoch zulässig und begründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweiligen Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die (summarische) Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsachte sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfes (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machten (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ergebenden Gebotes der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (Artikel 19 Abs. 4 GG) unter Umständen nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Klärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05 in NVWZ 2005, 927).
Die Antragsteller zu 2), zu 3), zu 4), zu 5) und zu 6) haben einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Sie haben nämlich Anspruch auf Bewilligung von Leistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Höhe der vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 18.07.2012 - Az: 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 als Übergangsregelung bestimmten Höhe. Die genannte Übergangsregelung legt vorläufig mit Gesetzeskraft das Existenzminimum fest. Dieses darf in keinem Fall, und damit auch nicht durch eine Leistungseinschränkung nach § 1 a AsylbLG, unterschritten werden. Auf das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 AsylbLG kommt es im vorliegenden Fall damit nicht an.
Das physische Existenzminimum der Antragsteller zu 2), zu 3), zu 4), zu 5) und zu 6) ist zwar ...