Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Krankenversicherung. Eintritt der Genehmigungsfiktion bei einer Sachleistung. ambulante Liposuktion. Lipödem

 

Orientierungssatz

1. Als Rechtsfolge der Fristversäumung gewähren § 13 Abs. 3a S. 6 und S. 7 mittels einer Genehmigungsfiktion einen Sachleistungsanspruch oder einen Kostenerstattungsanspruch für die erforderliche Leistung, der Versicherte ist also bei Eingreifen der Genehmigungsfiktion nicht auf den Weg der Selbstbeschaffung und Kostenerstattung beschränkt.

2. Das Wirksamwerden der Genehmigungsfiktion hängt ausschließlich von der Nichteinhaltung der Frist oder der fehlenden schriftlichen Mitteilung der Nichteinhaltung der Frist ab, nicht dagegen von der Einhaltung des Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebots nach §§ 2 Abs. 1 S. 3, 12 Abs. 1 SGB V oder der sonstigen Voraussetzungen.

3. Die Erforderlichkeit der Leistung im Sinne des § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V folgt aus der Rechtswirkung der Genehmigungsfiktion.

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 05.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2015 verurteilt, die Kosten für eine ambulante Liposuktion in drei Sitzungen der oberen und unteren Extremitäten zu übernehmen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist der Eintritt der Genehmigungsfiktion bei einer Sachleistung (ambulante Liposuktion) umstritten.

Die an einem Lipödem leidende Klägerin ist bei der beklagten Krankenkasse versichert. Dort beantragte sie Ende Dezember die Kostenübernahme für eine ambulante Liposuktion der unteren und oberen Extremitäten in drei Eingriffen unter Vorlage diese Behandlung befürwortende Stellungnahmen der Praxis für Plastische und Ästhetische Chirurgie L Aesthetics sowie des Phlebologen/Lymphologen M1; die Klägerin behauptet, sie habe diesen Antrag am 23.12.2014 bei der Geschäftsstelle der Beklagten in M2 abgegeben, nach einem Vermerk der Beklagten ist der Antrag am 29.12.2014 im Fachgebiet "allgemeine Leistungen" eingegangen. Ferner machte die Klägerin am 02.02.2015 geltend, die begehrte Behandlung gelte als genehmigt, nachdem die Beklagte nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen 3-Wochen-Frist entscheiden habe. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.02.2015 ab. Bei der begehrten Therapie handele es sich um eine neue Behandlungsmethode, die mangels Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) nicht von den gesetzlichen Krankenkasse finanziert werde dürfe. Ferner folge nichts anderes aus dem von der Klägerin geltend gemachten Fristablauf. Dieser führe nicht dazu, dass die beantragte Leistung als genehmigt gelte. Der Fristablauf führe allenfalls zu einem Kostenerstattungsanspruch nach Selbstbeschaffung; dieser Anspruch sei zudem auf ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungen beschränkt. Hierzu zähle die Liposuktion nicht.

Die Klägerin widersprach und machte geltend, die beantragte Leistung gelte wegen Ablaufs der 3-Wochen-Frist als genehmigt. Die Beklagte nahm diesen Widerspruch zum Anlass, eine sozialmedizinische Stellungnahme vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) einzuholen. G stellte unter dem 09.03.2015 fest, dass die in der Regel ambulant durchzuführende Therapie mangels Empfehlung des GBA nicht zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden dürfe. Als Therapie der Wahl gelte die komplexe Entstauungstherapie (manuelle Lymphdrainage, Kompressionstherapie, ggf. apparative Lymphdrainage). Diesem Votum folgend wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2015 zurück. Ergänzend verwies sie darauf, nach Eintritt der Genehmigungsfiktion bestehe kein Sachleistungs-, sondern nur ein Erstattungsanspruch nach Selbstbeschaffung, der allerdings auf dem Grunde nach übernahmefähige Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung beschränkt sei.

Mit ihrer am 04.05.2015 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt.

Sie ist der Auffassung, die beantragte Leistung gelte nach Fristablauf als genehmigt und zwar auch in Form der hier begehrten Sachleistung. Andernfalls käme der Regelung in § 13 Abs. 3a Satz 6 Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V), wonach die Leistung nach Fristablauf als genehmigt gelte, keine eigenständige Bedeutung zu. Ferner würden mittellose Versicherte bei einer Beschränkung auf die Erstattung von der Genehmigungsfiktion ausgeschlossen. Außerdem umfasse der Erstattungsanspruch auch immer den Sachleistungsanspruch. Schließlich sei der Sachleistungsanspruch nach Genehmigungsfiktion nicht auf dem Grunde nach übernahmefähige Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung beschränkt.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 05.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie antragsgemäß mit einer Liposuktion der oberen und unteren Extremitäten zu versorgen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an der getroffenen Entscheidung fest. Hierzu...

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