Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hilfsmittel. Diabetiker-Spezialschuh. Aufnahmeanspruch in das Hilfsmittelverzeichnis
Orientierungssatz
1. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist zur Ermittlung des Vorliegens der Eigenschaft eines Hilfsmittels allein auf die Zweckbestimmung des Gegenstands abzustellen, die einerseits aus der Sicht des Herstellers, andererseits aus der Sicht der tatsächlichen Benutzer zu bestimmen ist: Geräte, die für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen entwickelt sowie hergestellt worden sind und die ausschließlich oder ganz überwiegend auch von diesem Personenkreis benutzt werden, hier Diabetiker-Spezialschuhe der Marke LucRo, sind nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen (vgl BSG vom 16.9.1999 - B 3 KR 1/99 R = BSGE 84, 266 = SozR 3-2500 § 33 Nr 33).
2. Zur Funktionstauglichkeit, Qualität und zum therapeutischen Nutzen des Diabetiker-Spezialschuhs der Marke LucRo für eine Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis (vgl LSG Essen vom 20.9.2005 - L 5 KR 35/02).
Tenor
Die Beklagten werden unter Aufhebung des Bescheides vom 06.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2004 verurteilt, das Produkt Spezialschuh für Diabetiker der Marke LucRo für die Indikation "Sensibilitätsausfall an den Füßen bei nervaler Versorgungsstörung und/oder Durchblutungsstörung in den Beinen infolge Diabetes mellitus und zusätzlich stattgehabtem abgeheilten Ulcus" in das Hilfsmittelverzeichnis aufzunehmen und dies im Bundesanzeiger bekannt zu machen. Den Beklagten werden die Verfahrenskosten auferlegt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Aufnahme des von der Klägerin hergestellten Diabetiker-Spezialschuhs der Marke LucRo in das Hilfsmittelverzeichnis.
Die Klägerin stellt unter anderem die Spezialschuhe für Diabetiker der Marke LucRo (LucRo-Spezialschuh) her. Dieser Spezialschuh soll mit seiner besonderen Zurichtung vorbeugend kleine und kleinste Fußverletzungen verhindern, die bei Diabetikern nach langjähriger Erkrankung im Rahmen des sogenannten diabetischen Fußsyndroms zu Ulcera (Geschwüren) führen können. Und zwar soll das Zusammenspiel von Bodenbau und Schaftkonstruktion das Ulcus-Risiko und Druckschäden deutlich reduzieren und verhindern. Hierzu sind die Spezialschuhe mit einer starren Laufsohle versehen, die im Vorfußbereich mit einer das Abrollen des Fußes erleichternden Ballenrolle ausgestattet sind. Der Schuhboden besteht aus einer versteiften Brandsohle mit einer EVA-Zwischensohle und einem Luftkammersystem in einem Keilabsatz. Sie enthalten eine standardisierte, mehrschichtige und stoßabsorbierende Diabetiker-Einlegesohle, die eine hohe Rückstellkraft hat, wodurch eine ungewollte Veränderung der Oberfläche (Auftrittsfläche Fuß) verhindert wird. Um eine größere Zehenfreiheit zu erhalten und auf diese Weise Verletzungsgefahren zu vermeiden, fehlt die Vorderkappe vollständig. Die Hinterkappe hingegen ist auf beiden Seiten verlängert, damit die Ferse sicher und stabil geführt werden kann. Auf diese Weise soll der Druck auf der Fußsohle möglichst gleichmäßig verteilt werden und einer Schwielenbildung als Vorausbildung der Geschwürsbildung vorgebeugt werden. Eine weite Schaftöffnung soll den Einstieg in den Schuh erleichtern. Die Leistenform ist aufnahmefähig für diabetesadaptierte Einlagen. Schaftabschlusspolster sollen Druckschmerzen im Knöchelbereich vermeiden. Das aus atmungsaktivem Alcantara bestehende textile Innenfutter ist sowohl im Vorfuß- als auch im Rückfußbereich nahtfrei gefertigt, um nahtbedingte Druckpunkte zu vermeiden. Das Obermaterial besteht aus handschuhweichem Leder.
Der von der Klägerin hergestellte LucRo-Spezialschuh ist ein konfektionierter Spezialschuh und als anerkanntes Medizinprodukt der Klasse I im Sinne des Gesetzes über Medizinprodukte (MPG) mit einer CE-Kennzeichnung versehen.
Am 20.09.2002 beantragte die Klägerin die Aufnahme des LucRo-Spezialschuhs in das Hilfsmittelverzeichnis. Unter anderem berief sie sich hinsichtlich des medizinischen Nutzens dieses Schuhs auf die von Busch et al. im Jahr 2002 veröffentlichte kontrollierte Kohortenstudie, in der der von ihr hergestellte LucRo-Spezialschuh zum Einsatz kam.
Die Beklagten lehnten die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis mit Bescheid vom 06.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2004 ab. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass der therapeutische Nutzen des LucRo-Spezialschuhs nicht ausreichend nachgewiesen sei. Insoweit seien hinsichtlich etwaiger Studien dieselben Anforderungen wie an den Wirksamkeitsnachweis gemäß § 135 SGB V zu stellen. Diesen Anforderungen werde die Studie Busch et al. nicht gerecht. Darüber hinaus sei auch die Funktionstauglichkeit des Spezialschuhs nicht mittels Studien belegt.
Die Klägerin hat gegen die ablehnende Bescheide Klage erhoben, mit der sie die Aufnahme ins Hilfsmittelverzeichnis weiterverfolgt. Sie führt im Wesentlichen aus, dass es sich bei dem Spezialschuh nicht um eine...