Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilferecht: Hilfe zur Pflege. Berücksichtigung von Vermögen bei der Ermittlung des Hilfebedarfs. Bestattungsvorsorgevertrag als verwertbares Vermögen

 

Orientierungssatz

1. Enthält ein Bestattungsvorsorgevertrag eine Kündigungsklausel, so handelt es sich bei dem im Rahmen des Vertrages gebundenen Vermögen im Regelfall um verwertbares Vermögen im Sinne des Sozialhilferechts, da jedenfalls die Rückabwicklungsansprüche einen Vermögenswert darstellen.

2. Wurde zur Finanzierung eines Bestattungsvorsorgevertrages eine Kapitallebensversicherung geschlossen, die eine Auszahlung im Todes- und im Erlebensfall vorsieht, so handelt es sich dabei auch im Zusammenspiel mit dem Bestattungsvorsorgevertrag im Gegensatz zu einer Sterbeversicherung nicht um geschütztes Vermögen, so dass eine Verwertung zur Deckung eines Hilfebedarfs im Regelfall zumutbar ist.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 21.11.2017; Aktenzeichen B 8 SO 51/17 B)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Übernahme ungedeckter Heimkosten durch die Beklagte.

Die Klägerin hat eine GdB von 100 mit Merkzeichen G. Ihr wurde Pflegestufe 2 anerkannt. Mit Beschluss vom 06.01.2012 wurde der Sohn der Klägerin, Herr V H, zum Betreuer bestellt. Sein Aufgabenkreis umfasst die Aufenthaltsbestimmung, Behördenangelegenheiten sowie die Gesundheitsfürsorge. Die Betreuungsurkunde sieht den Bereich der Vermögenssorge nicht vor. Seinen eigenen Angaben zu Folge hat der Sohn der Klägerin General - und Bankvollmachten. Ausweislich dieses Beschlusses leidet die Klägerin an Demenz mit degenerativen und vaskulären Anteilen im mittleren Krankheitsstadium und an einer hirnorganischen depressiven Störung. Sie ist geschäftsunfähig. Der Sohn der Klägerin schloss für seine Mutter und der Ehemann der Klägerin für sich selbst am 02.05.2012 jeweils einen Bestattungsvorsorgevertrag mit dem Bestattungshaus I2 in N1 ab. In beiden Verträgen verpflichtete sich der Bestatter zur ordnungsgemäßen und würdevollen Ausführung der dereinstigen Bestattung des Vertragspartners entsprechend der sich aus der Anlage ergebenden vertraglichen Leistungen zu einem Preis von 7.900,- EUR. Unter Ziff III räumt die Klägerin dem Bestatter ein unwiderrufliches Bezugsrecht an einer Sterbegeld- bzw Lebensversicherung bei der O ein. Die Klägerin tritt ihre Ansprüche aus der og. Versicherung für den Todes- und Erlebensfall an den AN unwiderruflich ab. Unter Ziffer IV sieht der Bestattungsvorsorgevertrag vor: Soweit die zur Verfügung stehenden Gelder und Sicherheiten nicht zur Deckung des Auftrages ausreichen und auch keine Zahlungsbereitschaft Dritter besteht, ist der AN verpflichtet und auch berechtigt, eine würdige Bestattung mit verringertem Leistungsumfang vorzunehmen, die dabei aber den vereinbarten Bedingungen möglichst nahe kommen soll. Unter Ziff V ist festgehalten, dass im Falle der Kündigung des Vertrages durch die Klägerin der Bestatter berechtigt ist, eine Entschädigung in Höhe von 10 % des Wertes seiner Eigenleistung geltend zu machen, mindestens jedoch 100,- EUR (Abschluss- und Verwaltungskosten). In der Anlage des Bestattungsvorsorgevertrages der Klägerin ist angekreuzt Angebot/ Kostenaufstellung vom 02.05.2012 mit genauen Bestattungsmodalitäten, Bestattungsvorsorgevertrag mit der Deutschen Bestattungsvorsorge Treuhand AG und Abtretungserklärung gegenüber der Sterbegeldversicherung.

Des Weiteren wurde eine Bestattungsvorsorgeversicherung für die Klägerin und ihren Ehemann bei der O Versicherungsgruppe abgeschlossen. Versicherungsnehmerin ist ausschließlich die Klägerin, versicherte Person sind sie und ihr Ehemann. Die Versicherung ist ausweislich des Versicherungsscheines eine Kapital-Lebensversicherung auf den Todes- und Erlebensfall. Die Versicherungssumme beläuft sich im Erlebensfall, falls beide versicherten Personen noch leben auf 14.000,-EUR, falls nur noch eine versicherte Person lebt 4.200,- EUR, im Todesfall der zuerst sterbenden versicherten Person 9.800,- EUR, der zuletzt sterbenden versicherten Person 4.200,- EUR. Der vereinbarte einmalige Tarifbeitrag in Höhe von 12.643,86 EUR war fällig am 01.06.2012. Am 07.05.2012 beantragte das Pflegewohnheim bei der Beklagten für die Klägerin Pflegewohngeld. Der Sohn der Klägerin sprach am 08.05.2012 bei der Beklagten vor, um sich über die Übernahme ungedeckter Heimkosten zu informieren. Die Beklagte teilte dem Sohn der Klägerin mit, dass zu dem Vermögensfreibetrag eine Bestattungsvorsorge in Höhe von 3.500,- EUR für jeden Ehepartner anerkannt werde. Am 14.05.2012 wurde die Klägerin tatsächlich ins Pflegeheim aufgenommen. Am 23.05.2012 wurde der Formantrag für die Übernahme der ungedeckten Heimkosten für seine Mutter aufgenommen. Am 01.06.2012 wurde der fällige Versicherungsbeitrag vom Konto der Klägerin und ihres Ehemannes abgebucht.

Die Klägerin wurde mit Schreiben vom 27.06.2012 dazu angehört, dass die Sozialhilfe verweigert werde, weil der Bestattu...

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