Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss von einstweiligem Rechtsschutz gegen die Beitragsnachforderung aufgrund des Equal-pay-Prinzips

 

Orientierungssatz

1. Nach § 86 b Abs. 1 Nr. 1 SGG i. V. m. § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen anzuordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Pflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

2. Existiert eine wirksame tarifliche Regelung für die Entlohnung eines Leiharbeitnehmers durch den Verleiher, so gilt nach § 10 Abs. 4 S. 4 AÜG der Grundsatz, dass der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren hat.

3. Hat der Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt, so kann der prüfende Rentenversicherungsträger nach § 28 f Abs. 2 SGB 4 die Beitragsnachforderung auf der Grundlage von geschätzten geschuldeten Arbeitsentgelten berechnen, vgl. BSG, Urteil vom 03. Juni 2009 - B 12 R 12/07 R.

4. Die für die Geltendmachung von Beitragsansprüchen maßgebliche grundsätzliche vierjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 S. 1 SGB 4 ist für die Dauer einer Prüfung beim Arbeitgeber gehemmt.

5. Säumniszuschläge kann der Versicherungsträger nach § 24 Abs. 1 S. 1 SGB 4 grundsätzlich erheben, weil die Zahlung einer Beitragsforderung lediglich die Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten darstellt.

 

Tenor

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 29.03.2011 wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 1.522,98 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Im Streit ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche gegen Bescheide der Antragsgegnerin, mit denen Sozialversicherungsbeiträge von der Antragsgegnerin nachgefordert und Arbeitsentgelte an den Unfallversicherungsträger gemeldet worden sind.

Die Antragstellerin ist ein Personaldienstleistungsunternehmen und war seit dem 18.06.2007 im Besitz einer Erlaubnis nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). In den zwischen der Antragstellerin und den bei ihr beschäftigten Leiharbeitnehmern geschlossenen Arbeitsverträgen wurde geregelt, dass auf den Arbeitsvertrag die zwischen der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaft Zeitarbeit (CGZP) und PSA einerseits und dem Arbeitgeberverband Mittelständische Personaldienstleister (AMP) abgeschlossenen Tarifverträge in der jeweiligen Fassung Anwendung finden würden.

Mit Schreiben vom 17.11.2011 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass eine Betriebsprüfung nach § 28 p SGB IV durchgeführt würde und als Termin für die Betriebsprüfung der 02.12.2011 angesetzt sei. Am 25.11.2011 bat die Antragstellerin um die Anberaumung eines neuen Prüftermins, da der Geschäftsführer der Antragstellerin die Administration der Gesellschaft alleine erledige und aufgrund der Kurzfristigkeit den Termin am 02.12.2011 nicht wahrnehmen könne. Gleichzeitig wies die Antragstellerin darauf hin, dass der Geschäftsführer erst nach Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme ab Mitte Januar 2012 im Büro zur Verfügung stehen würde und bat um Berücksichtigung dieses Umstandes bei der Ansetzung eines neuen Termins. Mit Schreiben vom 16.12.2011 teilte die Antragsgegnerin mit, hinsichtlich der mit Schreiben vom 17.11.2011 angesetzten Betriebsprüfung sei nunmehr der 30. und 31.01.2012 sowie der 02.02.2012 vorzumerken. Nachdem die Antragstellerin mit Schreiben vom 17.01. und 23.01.2012 erneut um Anberaumung eines vollständig neuen Termins gebeten und die Antragsgegnerin dies mit Schreiben vom 23.01.2012 abgelehnt hatte, wurde die Prüfung in der Zeit bis zum 28.03.2012 an vier Tagen durchgeführt.

Am 29.03.2012 erging nach Anhörung der Antragstellerin ein Bescheid der Antragsgegnerin, mit dem, bezogen auf den Prüfzeitraum 16.07.2007 bis 01.04.2009, Sozialversicherungsbeiträge in einer Gesamthöhe von 6.091.93 EUR nachgefordert wurden, wobei in der Nachforderung Säumniszuschläge in Höhe von 428,00 EUR enthalten sind. Hinsichtlich des Prüfzeitraumes wurde ausgeführt, dass die Antragstellerin nach ihren Angaben ab dem 01.04.2009 keine Arbeitnehmerüberlassung mehr betrieben habe und die Zulassung zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung ausgelaufen sei, so dass eine Prüfung nur bis zum 31.03.2009 vorgenommen worden sei. In diesem Zeitraum habe die Antragstellerin Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG betrieben, so dass § 10 Abs. 4 AÜG Anwendung finde, wonach sich die Entlohnung der Leiharbeitnehmer und die Arbeitsbedingungen danach richten würden, was für die Stammbelegschaft des Entleihers gelten würde (Grundsatz des "Equal Pay" und des "Equal Treatment"). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sei in § 9 Nr. 2 AÜG vorgesehen, ...

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