Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft. Voraussetzung eines Anspruchs auf darlehensweise Übernahme von Schulden aus Stromlieferung
Orientierungssatz
Ein Anspruch auf darlehensweise Übernahme von Schulden aus Stromlieferung durch einen Träger von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende kommt jedenfalls solange nicht in Betracht, wie noch Selbsthilfemöglichkeiten des Grundsicherungsempfängers zur Abwehr einer Sperrung des Stromanschlusses gegeben und insoweit nicht alle verfügbaren Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Dazu zählen auch Bemühungen um Ratenzahlungen und ein Vertragsabschluss mit einem neuen Stromlieferanten.
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
Der am 16.07.2013 bei Gericht eingegangene Antrag der Antragstellerin,
den Antragsgegner zu verpflichten, ihr ein Darlehen zur Tilgung der Stromschulden bei den Stadtwerken D. zu gewähren, hat keinen Erfolg.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz richtet sich vorliegend nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist schon vor Klageerhebung zulässig (§ 86b Abs. 3 SGG) und setzt voraus, dass ein Anordnungsanspruch (hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) und ein Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) gegeben sind. Die tatsächlichen Voraussetzungen für das Bestehen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes sind dabei gemäß § 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen. Da auf Grund des summarischen Charakters des einstweiligen Anordnungsverfahrens die Hauptsache grundsätzlich nicht vorweggenommen werden darf (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 86b Rn. 31 m.w.N.), ist vorläufiger Rechtsschutz nur dann zu gewähren wenn das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nach Abwägung aller betroffenen Interessen für den Antragsteller unzumutbar ist (Keller a.a.O., Rn. 28).
Vorliegend fehlt es jedoch bereits an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs.
Nach § 22 Abs. 8 SGB II können, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
Nach summarischer Prüfung liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Energiekostenrückstände einschließlich Stromschulden können zwar eine vergleichbare Notlage i.S.d. § 22 Abs. 8 SGB II auslösen (Berlit in: LPK - SGB II, 3. Auflage 2009, § 22 Rdn. 125; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008; § 22 Rdn. 105,106).
Die darlehensweise Übernahme der Rückstände ist jedoch nicht im Sinne von § 22 Abs. 8 S. 2 SGB II gerechtfertigt. Die Rechtfertigung umfasst neben der objektiven Geeignetheit der Schuldenübernahme zur (dauerhaften) Sicherung der Energieversorgung die Prüfung, ob zumutbare Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft sind (LSG NRW Beschluss vom 20.08.2012 - L 2 AS 1415/12 B ER; Beschluss vom 18.07.2012 - L 7 AS 1256/12 B ER; Beschluss vom 16.04.2012 - L 19 AS 556/12 B ER; LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 13.03.2012 - L 2 AS 477/11 B ER; LSG Schleswig-Holstein Beschluss vom 13.01.2012 - L 3 AS 233/11 B ER; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 23.09.2011 - L 14 AS 1533/11 B ER; Beschluss vom 05.08.2011 - L 5 AS 1097/11 B ER m.w.N.; Berlit a.a.O. § 22 Rn 194). Vor dem Hintergrund der Regelung in § 2 Abs. 1 SGB II, wonach die leistungsberechtigte Person zur umfassenden Selbsthilfe verpflichtet ist, sind zunächst sämtliche zur Verfügung stehenden Mittel und Möglichkeiten einzusetzen, bevor öffentliche Leistungen wie hier die Gewährung eines Darlehens zur Schuldentilgung in Anspruch genommen werden dürfen. Das Risiko des Energieversorgers, die von ihm an seinen Kunden erbrachten Leistungen auch abgegolten zu erhalten, muss Regulierungen zunächst weitgehend in dem zugrundeliegenden rein zivilrechtlichen Rechtsverhältnis unterliegen, bevor ein etwaiger Einstand des Leistungsträgers und damit eine Risikoüberleitung auf den Steuerzahler in Betracht kommen kann (LSG NRW Beschluss vom 08.10.2012 - L 12 AS 1442/12 B). Entsprechend hat der Leistungsempfänger sich sowohl ernsthaft um Ratenzahlungsvereinbarungen mit dem...