Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitliche Begrenzung der Bewilligung von Leistungen nach § 3 AsylbLG in einem Überprüfungsverfahren

 

Orientierungssatz

1. Nach § 116 a SGB 12 gilt für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts § 44 Abs. 4 S. 1 SGB 10 mit der Maßgabe, dass anstelle des Zeitraumes von vier Jahren ein solcher von einem Jahr tritt. Eine § 116 a SGB 12 entsprechende Regelung enthält das AsylbLG nicht. Eine analoge Anwendung ist geboten, weil ein vergleichbarer Sachverhalt und eine planwidrige Regelungslücke vorliegt.

2. Die nach dem SGB 2 und dem SGB 12 einerseits und dem AsylbLG andererseits zu regelnden Sachverhalte sind gleichartig. Die betreffenden Gesetze sind Existenzsicherungssysteme, die alle das Ziel haben, dem Leistungsberechtigten ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen und einen Bedarf bei aktueller Hilflosigkeit sicherzustellen. Dieser Gedanke war Beweggrund für den Gesetzgeber zur Einführung des § 116 a SGB 12.

3. Die Gleichartigkeit der Sachverhalte im SGB 2, dem SGB 12 und dem AsylbLG gebietet auch eine gleiche Behandlung.

4. Die analoge Anwendung des § 116 a SGB 12 ist nur einheitlich für alle denkbaren Fallvarianten möglich, weil sich dieser Bestimmung keine Einschränkung seiner Geltung auf lediglich bestimmte Fallvarianten entnehmen lässt.

5. Nach der Rechtsprechung des BSG ist im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB 10 eine Nachzahlung höherer Leistungen nur möglich, wenn seit dem Ende des zur Überprüfung gestellten Zeitraums ein ununterbrochener Bedarf i. S. des AsylbLG oder des SGB 12 bzw. des SGB 2 vorgelegen hat. Temporäres Entfallen eines solchen Bedarfs für mindestens einen Monat ist anspruchsvernichtend (Anschluss Urteile BSG vom 09. Juni 2001, B 8 AY 1/10 R und vom 20. Dezember 2012, B 7 AY 4/11 R).

 

Tenor

Die Klagen werden abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist in einem Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X, ob den Klägern für die Zeit vom 10.06.2010 bis 31.12.2010 Leistungen nach § 3 Asylbewerberleistung (AsylbLG) anstelle gewährter Leistungen nach § 1a AsylbLG zu bewilligen sind.

Der 19xx geborene Kläger zu 1) und die am 05.01.19xx geborene Klägerin zu 2) sind Vater und Tochter und serbische Staatangehörige, der Volksgruppe der Roma angehörig und aus dem Kosovo stammend. Der Kläger zu 1) war 1990 mit seiner seit 2001 von ihm geschiedenen Ehefrau, die jetzt in Belgien lebt, nach Deutschland gekommen und war nach vergeblich durchgeführtem Asylverfahren fortlaufend geduldet. Die Klägerin zu 2) ebenso wie ihr am 05.06.19xx geborener Bruder, der seine Rechte im Verfahren S 44 AY 140/13 verfolgt, sind eheliche Kinder der geschiedenen Ehegatten und in Deutschland geboren.

Soweit nachvollziehbar haben der Kläger zu 1) seit April 1995, die Klägerin zu 2) ab Geburt Leistungen nach dem AsylbLG bezogen, seit 2005 solche nach § 2 AsylbLG, bis zur gemeinsamen Ausreise mit dem Sohn/Bruder am 02.02.2010. Nach ihren Angaben hatte die Familien die geplante Weiterreise in den Kosovo in Österreich abgebrochen, um durch Deutschland nach Belgien zur Kindesmutter zu fahren. Dort hatten sie sich bis zur Rückkehr nach Deutschland aufgehalten, wo sie am 07.06.2010 einen Asylfolgeantrag stellten, der mit Bescheid vom 20.07.2010 abgelehnt worden war. Dagegen hatte die Kläger das VG Gelsenkirchen um Rechtsschutz angerufen. Nach Zuweisung an die Beklagte und Wohnsitznahme in einer Gemeinschaftsunterkunft hatten die Kläger gemeinsam mit dem Sohn/Bruder ab 10.06.2010 erneut Leistungen nach dem AsylbLG erhalten, fortlaufend nur nach § 3 Abs. 2 AsylbLG ohne den Barbetrag nach § 3 Abs. 1 AsylbLG, für den Monat Juni 2010 durch Bescheid vom 17.06.2010, für den Monat Juli 2010 durch Bescheid vom 24.06.2010, für August 2010 ohne schriftlichen Bescheid, für September 2010 durch Bescheid vom 25.08.2010, für die Monate Oktober bis Dezember 2010 ohne schriftliche Bescheide. Entsprechende Leistungen hatten die Kläger auch in der Folgezeit mit und ohne schriftlichen Bescheid erhalten. Auf einen Widerspruch vom 25.02.2013 hin wurden zunächst ab März 2012 fortlaufend Leistungen auch nach § 3 Abs. 1 AsylbLG in Höhe von 40,90 EUR monatlich gezahlt, im Folgenden rückwirkend auch ab Mai 2011.

Überprüfungsanträge für die Zeit ab Wiedereinreise lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.09.2012 zunächst vollständig ab. Auf den Widerspruch der Kläger vom 22.09.2012 hin erkannte die Beklagte einen Nachzahlungsanspruch der Kläger auch noch für die Monate Januar bis April 2011 an und wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 21.11.2012 im Übrigen zurück. Aufgrund des analog anzuwendenden § 116a SGB XII sei bei ab 01.04.2011 gestellten Überprüfungsanträgen eine Zahlung rückwirkend längstens für einen Zeitraum von 12 Monaten möglich.

Zur Begründung ihrer am 21.12.2012 erhobenen Klagen vertreten die Kläger die Auffassung, eine analoge Anwendung des § 116a SGB XII sei auch nach dem Urteil des BSG vom 26.06.2013, B 7 AY 6/12 R, in ihren Fällen nicht...

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