Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung zu Unrecht bewilligter Leistungen der Grundsicherung aufgrund fehlender Hilfebedürftigkeit des Leistungsempfängers bei Antragstellung

 

Orientierungssatz

1. Die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung setzt nach §§ 7, 9 SGB 2 Hilfebedürftigkeit des Antragstellers voraus.

2. Zu dem verwertbaren Vermögen i. S. von § 12 SGB 2 zählt das Guthaben auf einem Wertpapierdepot.

3. Um der Gefahr eines Missbrauchs von Steuermitteln entgegenzuwirken, sind an den Nachweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit eines Darlehensvertrags unter Verwandten strenge Anforderungen zu stellen (BSG Urteil vom 17. 6. 2010, B 14 AS 46/09 R).

4. Misslingt dem Grundsicherungsberechtigten der Nachweis eines bestehenden Darlehensvertrags, so ist das Guthaben auf dem Wertpapierdepot als vorhandenes verwertbares Vermögen bei der Bewilligung von Grundsicherungsleistungen zu berücksichtigen.

5. Hat der Leistungsempfänger bei der Antragstellung die Existenz des Wertpapierdepots verschwiegen, so sind die bewilligten Grundsicherungsleistungen nach §§ 40 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 3, 330 Abs. 2 SGB 3, 45, 50 SGB 10 zu erstatten.

 

Tenor

Die Klagen werden abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung und Erstattung von Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs und Beiträgen zu Kranken- und Pflegeversicherung i.H.v. insgesamt 34.079,96 EUR sowie von Leistungen für Bedarfe für Unterkunft und Heizung i.H.v. insgesamt 32.951,80 EUR für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.10.2010. Der am 10.09.19xx geborene Kläger war seit seiner Geburt bis zum 29.08.2011 mit erstem Wohnsitz in der T.str. xx in xxxxx M. gemeldet. Dabei handelt es sich um sein Elternhaus, in dem der Kläger ein eigenes Zimmer mit Waschgelegenheit und WC bewohnte. Einen Mietvertrag gab es nicht. Miete zahlte er hierfür im streitgegenständlichen Zeitraum nicht. Der Kläger war dort unter einem von dem Anschluss seiner Eltern verschiedenen Telefonanschluss erreichbar (vgl. Bl. 114 und Bl. 115 der Gerichtsakte S 45 AS xxxx/11 ER). Seit dem 01.02.1999 hat der Kläger eine 2-Zimmer-Wohnung mit 69,7 m² Wohnfläche in der L. Allee xx in xxxxx M. a. d. R. angemietet. Ausweislich des Mietvertrages (Bl. 25f. der Leistungsakte der Beigeladenen) fielen hierfür monatlich 870,00 DM Grundmiete zzgl. 66,00 DM Heizkosten zzgl. 297,00 DM Betriebskosten an. Die Warmwasseraufbereitung erfolgt dezentral mit einem Boiler. Im April 2004 meldete der Kläger die Wohnung in der L. Allee xx in M. als seine Nebenwohnung an (Bl. 18 der Leistungsakte der Beigeladenen). Der Kläger verbrauchte ausweislich der vorgelegten Abrechnungen über Stromverbrauch in dem Zeitraum 28.05.2005 bis 29.06.2006 1.831 kWh, in dem Zeitraum 30.06.2006 bis 14.06.2007 1.771 kWh, in dem Zeitraum 15.06.2007 bis 30.11.2007 772 kWh, in dem Zeitraum 01.03.2009 bis 19.06.2009 535 kWh und in dem Zeitraum 20.06.2009 bis zum 21.06.2010 1.705 kWh Strom. Der Kläger absolvierte von 1984 bis 1990 ein Studium der Volkswirtschaft, von 1990-1991 ein Auslandsstudium der English Studies in England und war von 1994-1998 als Angestellter in Luxemburg tätig. Der Kläger verdiente 1998 brutto 80.157,00 DM und 1999 brutto 114.762 DM. Nach Beendigung des letzten Beschäftigungsverhältnisses bezog der Kläger ab September 2001 bei der Arbeitsagentur in M. Arbeitslosengeld und ab 20.09.2002 Arbeitslosenhilfe bei der Arbeitsagentur M. Die Akten hierüber sind vernichtet. Seit 2003 übt der Kläger, zunächst im Nebenerwerb und ab Dezember 2005 im Haupterwerb, eine selbstständige Tätigkeit als Investment Consultant aus. Hierfür nutzte er Teile der Räumlichkeiten der Wohnung in der L. Allee xx in M. Am 02.09.2004 nahm der Kläger an einer Informationsveranstaltung über Leistungen, Voraussetzungen und Antragsverfahren zum Arbeitslosengeld II teil (Bl. 529 der Leistungsakte der Beklagten). Der Kläger beantragte unter dem 29.09.2004 erstmals bei der Agentur für Arbeit W., der Rechtsvorgängerin der Beklagten, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Dabei gab der Kläger im Zusatzblatt 3 zur Feststellung des zu berücksichtigenden Vermögens unter Punkt 2.4 "Sparbriefe / Sonstige Wertpapiere / z.B. Aktien, Fonds-Anteile usw.)" ein Vermögen i.H.v. 604,00 EUR in Form von Wertpapieren und einen gesperrten VL-Vertrag mit einem Wert von ca. 1.300,00 EUR an. Die unter Punkt 8 formulierte Frage "Wurde Vermögen im In- oder Ausland verschenkt oder gespendet oder auf eine andere Person übertragen" beantwortete der Kläger mit "nein" (Bl. 8R der Leistungsakte der Beklagten). Bei sämtlichen Folgeanträgen verneinte der Kläger die Frage nach Änderungen in den Vermögensverhältnissen. Weiter gab der Kläger in dem Erstantrag unter Punkt "I. Allgemeine Daten des Antragstellers" "Straße, Haus-Nr., PLZ- Wohnort" an "T.str. xx, xxxxx M." und auf dem Zusatzblatt 1 zur Feststellung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung zu "Straße, Haus-Nr., PLZ- Wohno...

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