Nachgehend

BSG (Beschluss vom 05.01.2023; Aktenzeichen B 8 SO 72/22 BH)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Übernahme der Höchstbeiträge zur freiwilligen gesetzlichen Rentenversicherung.

Der 1973 geborene Kläger leidet unter anderem an einem Asperger-Syndrom, einer Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörung, einer Zwangsstörung mit Zwangshandlungen und -gedanken sowie spezifischen Phobien, einer rezidivierenden depressiven Störung mit leicht-, mittel- und schwergradigen Episoden sowie einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren.

Er erhielt zunächst seit Februar 2013 Sozialhilfe nach dem 3. Kapitel des Sozialgesetzbuchs - Zwölftes Buch (SGB XII). Nachdem die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg mit Bescheid vom 20.04.2017 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit ab 01.12.2015 bewilligt hatte, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 11.05.2017 seit 01.06.2017 Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des SGB XII.

Bereits mit Schreiben vom 20.12.2015 hat der Kläger die Übernahme von freiwilligen Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung beantragt. Mit Bescheid vom 23.12.2015 und Widerspruchsbescheid vom 27.01.2016 hat die Beklagte die Übernahmen abgelehnt. Die hiergegen am 15.02.2016 erhobene Klage (Az: S 52 SO 123/17) hat der Kläger mit Schriftsatz vom 10.05.2017 zurückgenommen.

Mit Schreiben vom 15.05.2017 stellte der Kläger bei der Beklagten erneut einen Antrag auf Übernahme von freiwilligen Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung ab dem Jahr 2015. Er macht geltend, dass er mit der Einzahlung der Höchstbeiträge im Alter eine Rente erzielen würde, die ihn unabhängig vom Sozialhilfebezug machen würde. Er legt insoweit eine Berechnung der Rentenversicherung vor (Blatt 471 der Leistungsakten).

Mit Bescheid vom 31.08.2017 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Den Widerspruch des Klägers hiergegen vom 14.03.2018 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.06.2018 als unbegründet zurück, nachdem sie zuvor wegen fehlendem Zugang den Bescheid vom 31.08.2017 erneut zugestellt hatte. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass nach § 33 Abs. 1 Ziffer 1 SGB XII Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung als Bedarf berücksichtigt werden können, wenn dadurch eine Entlastung der Sozialhilfe zu erwarten sei. Um dies abzubilden sei eine Prognose aufzustellen, wie es im angefochtenen Bescheid geschehen sei. Die möglichen Einsparungen im Rahmen der Sozialhilfe stünden in keinem Verhältnis zu den de facto bereits jetzt entstehenden Kosten für die Beitragszahlungen. Die Kosten dafür seien deutlich höher als der derzeitige Sozialhilfeanspruch und müssten neben diesem bis zum Rentenalter zusätzlich erbracht werden. Da nicht absehbar sei, wie lange der Kläger die Rente in Anspruch nehmen könne, könne auch nicht exakt ermittelt werden, wie hoch mögliche Einsparungen tatsächlich wären. Das Einzige, was zum jetzigen Zeitpunkt sicher errechnet werden könne, sei die Summe der Beitragszahlungen bis zum Rentenbeginn. Der Kläger sei 44 Jahre alt. Ausgehend von einem Betrag von 1.184,45 Euro monatlich ab 2018 ergeben sich folgende Beträge:

Rente mit 60 Jahren: 1.187,45 Euro x 12 Monate x 16 Jahre = 227.990,40 Euro

Rente mit 62 Jahren: 1.187,45 Euro x 12 Monate x 18 Jahre = 256.489,20 Euro

Rente mit 65 Jahren: 1.187,45 Euro x 12 Monate x 21 Jahre = 299.237,40 Euro

Rente mit 67 Jahren: 1.187,45 Euro x 12 Monate x 23 Jahre = 327.736,20 Euro.

Zuzüglich der für alle Varianten geltenden Nachzahlung für die Jahre 2015, 2016 und 2017 in Höhe von rund 41.400,00 Euro.

Auch ohne vorhersagen zu können, wie sich die Regelsätze und die Kosten der Unterkunft in den kommenden Jahren verändern werden, kann als sicher angenommen werden, dass die einsparbaren Sozialhilfekosten erheblich geringer sein würden. Da ein frühzeitiger Rentenbeginn mit Abschlägen verbunden sein würde, wäre der Kläger vermutlich zudem auch gar nicht finanziell unabhängig, wenn er bereits mit 60 oder 62 Jahren Altersrente erhalten würde. Selbst mit dem Höchstsatz der maximal zu erzielenden Rente in Höhe von prognostizierten, jedoch keinesfalls garantierten, 1.946,43 Euro bei Renteneintritt mit 67 Jahren, sei nicht sichergestellt, dass der Kläger keine weiteren Sozialleistungen in Anspruch wird nehmen müssen, wenn z.B. besondere Pflegeleistungen oder sogar die Unterbringung in einer stationären Einrichtung erforderlich werden würden. Auch die Argumentation, dass der Kläger gerade im Alter Stabilität, Sicherheit und Ruhe benötige und dies durch ausreichende finanzielle Mittel gewährleistet sei, könne nicht überzeugen. Wie sich die Erkrankung des Klägers mit zunehmendem Alter entwickle, vermag niemand vorherzusagen. Es sei allerdings nicht zu erwarten, dass sie sich in erheblichem Maße zum Besseren hin entwickeln werde. Allein aus diesem Grund sollte es für den Kläger ein besonderes Anliegen sein, sich dem gut organisierten und verzweigten Netzwerk der Sozialverwaltung anzuvert...

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