Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. beigeordneter Rechtsanwalt. Vergütungsanspruch für ein Verfahren über die Aussetzung der Vollstreckung. umfasst von Prozesskostenhilfebewilligung für Beschwerdeverfahren (im einstweiligen Rechtsschutz). selbstständiges Nebenverfahren. Verfahrensgebühr

 

Orientierungssatz

1. Die für das Beschwerdeverfahren (hier im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes) bewilligte Prozesskostenhilfe umfasst nach § 48 Abs 2 S 1 RVG auch das Verfahren auf Aussetzung der Vollstreckung.

2. Bei dem Verfahren nach § 199 Abs 2 SGG handelt es sich um ein selbstständiges Nebenverfahren, das unabhängig von dem Beschwerde- bzw dem Berufungsverfahren einen eigenen Kostentatbestand auslöst.

3. Als Gebührentatbestand ist Nr 3102 RVG-VV einschlägig (vgl LSG Schleswig vom 15.1.2014 - L 5 SF 12/13 E = Breith 2014, 597).

 

Tenor

Die Erinnerung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Beschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Verfahren nach § 199 Abs. 2 SGG streitig.

Im zugrundeliegenden Verfahren S 27 SO 40/17 ER verpflichtete das Sozialgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 12.04.2017 den Antragsgegner, den Antragstellern vorläufig laufende Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren und bewilligte den Antragstellern Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten.

Der Antragsgegner legte hiergegen Beschwerde ein und beantragte, die Vollziehung des Beschlusses bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens auszusetzen. Das Hessische Landessozialgericht setzte die Vollstreckung aus dem Beschluss des SG Frankfurt am Main mit Beschluss vom 04.05.2017 bis zu Erledigung des Rechtsstreits in der Beschwerdeinstanz nach § 199 Abs. 2 SGG aus. Kosten für das Verfahren seien von den Beteiligten nicht zu erstatten. Mit Beschluss vom 10.05.2017 bewilligte das Hessische Landessozialgericht den Antragstellern unter Beiordnung der Bevollmächtigten auch für den Beschwerderechtszug Prozesskostenhilfe. Nach einer Leistungsbewilligung durch den beigeladene SGB II-Träger endete das Verfahren durch eine Rücknahme des gerichtlichen Eilantrags.

Die von der Bevollmächtigten der Antragsteller am 22.06.2017 geltend gemachten Kosten wurden, nach einer Kostenerinnerung, entsprechend ihrem Antrag wie folgt festgesetzt:

I. Eilverfahren I. Instanz: Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 200,00 Euro, Erhöhung Nr. 1008 VV RVG 60,00 Euro, Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro, 19 % UmSt. 53,20 Euro, Summe 333,20 Euro.

II. Beschwerdeverfahren: Verfahrensgebühr Nr. 3204 VV RVG 246,00 Euro, Erhöhung Nr. 1008 VV RVG 73,80 Euro, Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro, 19 % UmSt. 64,20 Euro, Summe 404,36 Euro.

Gesamt: 737,56 Euro.

Am 05.09.2017 machte die Prozessbevollmächtigte der Antragsteller weitere Gebühren für das Verfahren auf Aussetzung der Vollstreckung geltend:

Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG

150,00 Euro

Erhöhung, Nr. 1008 VV RVG

 45,00 Euro

Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

 20,00 Euro

19 % UmSt.

 40,85 Euro

Summe 

255,85 Euro

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte die Gebühren für das Verfahren nach § 199 Abs. 2 SGG mit Beschluss vom 06.09.2017 in folgender Höhe fest:

Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG

 50,00 Euro

Erhöhung, Nr. 1008 VV RVG

 15,00 Euro

19 % UmSt.

 12,35 Euro

Summe 

 77,35 Euro

Zur Begründung führte er aus, die mit dem hälftigen Mittelwert beantragte Verfahrensgebühr sei nach den Kriterien des § 14 RVG unbillig. Einerseits habe die Prozessbevollmächtigte der Antragsteller ihre Gebühren für das Beschwerdeverfahren bereits abgerechnet. Andererseits habe diese auf die Beschwerde der Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin mit ein und demselben Schreiben Stellung genommen und sich lediglich in sechs Sätzen dazu geäußert, warum aus ihrer Sicht die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollstreckung nicht vorgelegen hätten, bevor durch Beschluss die Vollstreckung ausgesetzt worden sei. Nach alledem sowie der sich ergebenden und zu berücksichtigenden Synergien werde mit dem Mindestwert den Beurteilungskriterien angemessen und ausreichend Rechnung getragen. Eine (weitere) Entgeltpauschale sei nicht festzusetzen gewesen, da keine zusätzlichen Auslagen für Post- u. Telekommunikationsdienstleistungen angefallen seien. Diese Kosten seien bereits bei der Festsetzung für das Beschwerdeverfahren berücksichtigt worden.

Die Staatskasse hat am 06.02.2018 Erinnerung eingelegt. Es sei nur für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe beantragt und bewilligt worden. Daher bestehe für das Verfahren auf Aussetzung der Vollstreckung nach § 199 SGG kein Vergütungsanspruch aus der Staatskasse; davon abgesehen, gehöre die Tätigkeit, die Aussetzung der Vollstreckung abzulehnen, zum Beschwerderechtszug. Das Verfahren über die vorläufige Einstellung, Beschränkung oder Aufhebung der Vollstreckung gehöre gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 11 RVG zum Hauptsacheverfahren, in dem die Entscheidung ergangen sei, deren Vollstreckung...

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