Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Zulässigkeit des Leistungsausschlusses bei freizügigkeitsberechtigten EU-Ausländern
Orientierungssatz
Ein freizügigkeitsberechtigter EU-Ausländer, der sich zur Arbeitsuche im Bundesgebiet aufhält, ist im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende jedenfalls dann leistungsberechtigt, wenn er in der Bundesrepublik zuvor sozialversicherungspflichtig beschäftigt war. Der gesetzliche Leistungsausschluss kommt in diesem Fall bei EU-Ausländern nicht zur Anwendung, da ein solcher Leistungsausschluss eine unzulässige Diskriminierung aufgrund der Nationalität darstellen würde (Anschluss: LSG Darmstadt, Beschluss vom 12.02.2013, Az.: L 7 AS 786/12).
Nachgehend
Tenor
I. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger über den 31.01.2013 hinaus weiterhin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Weitergewährung von Leistungen nach dem SGB II.
Der 1955 geborene Kläger ist griechischer Staatsangehöriger und freizügigkeitsberechtigt. Seit 17.10.2011 lebt er laut Meldebestätigung der Stadt A-Stadt vom 07.11.2011 wieder in Deutschland. Vom 20.12.2011 bis 17.02.2012 arbeitete der Kläger bei C. in C-Stadt / Taunus als Lagerist / Fahrer. Seither war der Kläger auf Arbeitssuche. Am 27.08.2012 beantragte der Kläger bei dem Beklagten Leistungen nach dem SGB II, die vom 01.08.2012 bis 31.01.2013 bewilligt wurden. Am 17.01.2013 beantragte der Kläger die Weiterbewilligung der Leistungen. Die Weiterbewilligung lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 21.01.2013 mit der Begründung ab, der Kläger habe lediglich ein alleiniges Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche und damit liege ein Leistungsausschluss nach § 7 Absatz 1 Satz 2 SGB II vor. Hiergegen erhob der Kläger am 31.01.2013 Widerspruch und bezog sich zur Begründung auf das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA), die VO (EG) 883/2004 sowie den Gleichheitssatz nach Art. 18 AEUV. Unter dem 08.02.2013 beantragte der Kläger gerichtlichen Eilrechtschutz, woraufhin mit Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18.03.2013 (S 24 AS 164/13 ER) vorläufig Leistungen ab 08.02.2013 bis 07.08.2013 bewilligt wurden. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.02.2013 wies der Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, der Leistungsausschluss des § 7 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II finde vorliegend Anwendung. Die Bundesregierung habe einen Vorbehalt gegenüber dem Europäischen Fürsorgeabkommen in Bezug auf SGB II-Leistungen erklärt, so dass der in Frage stehende Ausschlussgrund des § 7 SGB II zu beachten sei.
Der Kläger hat am 27.02.2013 Klage erhoben. Zur Begründung werden die bereits im Widerspruch genannten europarechtlichen Regelungen angeführt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid des Beklagten vom 21.01.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II über den 31.01.2013 hinaus zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bezieht sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.
Das Gericht hat die Beteiligten unter dem 08.05.2013 zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid (§ 105 SGG) angehört.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte gemäß § 105 Absatz 1 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Im Rahmen der nach § 105 Absatz 1 Satz 2 erforderlichen Anhörung haben die Beteiligten keine begründeten Einwände gegen eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid vorgebracht.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 21.01.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2013 ist rechtswidrig. Der Kläger hat einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II über den 31.01.2013 hinaus.
Gemäß § 7 Absatz 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Gesetz Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben. Ausgenommen sind nach § 7 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, und ihre Familienangehörigen.
Nach Ansicht des Gerichts ist dieser Leistungsausschluss vorliegend auf den nach § 2 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigten und damit aufenthaltsberechtigten Kläger - er ist im Sinne dieser Vorschrift ein Unionsbürger, der sich - nachdem e...