Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. geringfügige Unterbrechung. Nahrungsaufnahme. Bezahlen eines Getränkes. Kassiererin
Orientierungssatz
Eine Kassiererin, die während einer kurzen Arbeitsunterbrechung zum Bezahlen eines zuvor geholten Getränkes, das sie alsbald an ihrem Arbeitsplatz verzehren wollte, auf dem Weg zu ihrer Kollegin an einer 3 m entfernten Kasse ausrutschte, steht dabei unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 20.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.11.2009 wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass es sich bei dem Unfall der Klägerin vom 11.05.2009 um einen Arbeitsunfall im Sinne des SGB VII handelt.
2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall nach dem SGB VII streitig.
Die 1956 geborene Klägerin ist als Verkäuferin in einem X-Markt beschäftigt. Am 11.05.2009 holte sie sich morgens vor Beginn der Arbeitszeit ein Getränk aus einem Regal und stellte es an die Kasse, um es dort später zu trinken. Gegen Mittag, als sie Durst hatte und das Getränk zu sich nehmen wollte, ging sie zu einer Kollegin an einer anderen Kasse hinüber, um das Getränk zu bezahlen, da es ihr nicht gestattet war, das Getränk zu verwenden, bevor sie es nicht bezahlt hatte. Auf diesem Weg rutschte die Klägerin aus und verdrehte sich das Knie. Diagnostiziert wurde zunächst eine Knieprellung. Die Klägerin war anschließend vom 13.5. bis 06.09.2009 arbeitsunfähig erkrankt.
Mit Bescheid vom 20.08.2009 lehnte die Beklagte eine Entschädigung des Unfalls vom 11.05.2009 ab. Zur Begründung führte sie an, dass die Voraussetzungen für die Annahme eines Arbeitsunfalls nach § 8 SGB VII vorliegend nicht gegeben seien. Bei Personaleinkäufen handle es sich um Tätigkeiten, die zu den privaten, eigenwirtschaftlichen Angelegenheiten gehörten, für welche nach der Rechtsprechung ein Unfallversicherungsschutz nicht bestehe. Es fehle insoweit an einem inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit.
Gegen den Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, welchen sie damit begründete, dass die während der Arbeitszeit zum Zweck der Nahrungsaufnahme zurückgelegten Wege versichert seien. Sie habe am Unfalltag zunächst ihre eigene Kasse öffnen müssen, an welcher sie das Getränk nicht habe abrechnen können. Vielmehr habe sie an die Kasse einer Kollegin gehen müssen, um das während der Arbeit verzehrte Getränke zu bezahlen. Unmittelbar nach der Bezahlung wäre sie zu ihrer Kasse zurückgegangen, um die Arbeit fortzusetzen, so dass eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit nicht erkennbar sei. Schließlich sei sie medizinisch angehalten, viel zu trinken.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2009 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Sie führte an, dass die Nahrungsaufnahme grundsätzlich dem unversicherten, persönlichen Lebensbereich zuzurechnen sei. Daher stünden auch die damit verbundenen Nebenverrichtungen, wie der Kauf der Nahrungsmittel, nur ausnahmsweise unter Versicherungsschutz. Im Falle der Klägerin fehle es an der besonderen Beziehung zur Betriebstätigkeit, da sie das Getränk vor Arbeitsantritt aus dem Regal genommen habe. Das Getränk sei damit nicht während einer Arbeitspause besorgt worden, so dass auch das Abkassieren zu einem späteren Zeitpunkt nicht unter Versicherungsschutz stehe.
Hiergegen richtet sich die am 10.12.2009 zum Sozialgericht Frankfurt erhobene Klage, mit der die Klägerin ihr Ziel weiter verfolgt. Zur Begründung ließ sie vortragen, dass sie selbst ihre Kasse um 8:00 Uhr geöffnet habe und gegen 12:00 Uhr der erste Zeitpunkt gewesen sei, um bei einer Kollegin das Getränk zu bezahlen. Das Getränk habe zur Stärkung gedient, damit sie ihre Arbeit habe fortsetzen können, so dass der zum Zweck der Nahrungsaufnahme zurückgelegte Weg versichert sei. Eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit liege daher nicht vor. Die Wegstrecke bis zur Kasse der Kollegen betrage Luftlinie 2 m, gelaufen 3 m, so dass die Wegzeit bei 30 bis 35 Sekunden liege.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 20.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2009 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Unfall der Klägerin vom 11.05.2009 um einen Arbeitsunfall im Sinne des SGB VII handelt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrags verwies die Beklagte auf den Inhalt des angefochtenen Widerspruchsbescheids. Zudem trug sie vor, dass vorliegend kein Fall vorliege, bei welchem Nahrungsmittel innerhalb einer Pause zum alsbaldigen Verzehr eingekauft worden seien. Die Klägerin habe sich das Getränk zu Beginn der Arbeitsaufnahme um 7:30 Uhr besorgt, das Bezahlen habe jedoch erst um 12:30 Uhr stattgefunden, so dass ein alsbaldiger Verzehr nicht vorliege. Es handle sich vielmehr um eine dem privatwirtschaftlichen Bereich zuzurechnende Vorbereitungshan...