Entscheidungsstichwort (Thema)

Übergang von Beitragsansprüchen auf einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung. unterlassener Beitragsregress. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch

 

Orientierungssatz

1. Weder aus dem Wortlaut des § 119 SGB 10, noch aus einer anderen Regelung oder dem besonderen Treuhand- und Fürsorgeverhältnis ergibt sich eine Pflicht, den Regress auf bestimmte Art und Weise insbesondere auf Wunsch der betroffenen Person durchzuführen.

2. Gehen Beitragsansprüche nach § 119 Abs 1 SGB 10 auf den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung über, führt dieser den Beitragsregress nicht durch, beruht dies auf einem pflichtwidrigen Handeln des Rentenversicherungsträgers und wird der Geschädigte (oder die Hinterbliebenen) hierdurch bei einer zukünftigen Rente benachteiligt, ermöglicht der sozialrechtliche Herstellungsanspruch die Anerkennung von Pflichtbeitragszeiten, die mangels eines verfolgten und durchgeführten Beitragsregresses nicht durch tatsächliche Beitragszahlung erfolgt sind, indem ein fiktiver Beitragsregress der dann durchzuführenden Rentenberechnung trotz Nichteingangs der Regresszahlungen zugrunde gelegt wird (vgl LSG Essen vom 18.3.2013 - L 3 R 969/11 sowie LSG Mainz vom 11.1.2012 - L 4 R 266/11).

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten u.a. über die Vormerkung von Beitragszeiten seit 1. Januar 2005 aufgrund eines möglichen Regresses bei einem Haftpflicht-Versicherungsunternehmen.

Die 1968 geborene Klägerin war am 25. November 2002 als Fußgängerin an einem Verkehrsunfall beteiligt, bei dem es zur Kollision der Klägerin mit einem PKW kam. Bezüglich dieses PKW bestand eine B. bei der B.-Aktiengesellschaft (B.). Bei dem Unfall wurde unter anderem die knöcherne linke Gesichtshälfte zertrümmert.

Zum Zeitpunkt des Unfalls war die Klägerin abhängig beschäftigt mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden, wobei das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Dezember 2002 in der Probezeit durch den Arbeitgeber gekündigt wurde. Vom 26. August bis 31. Dezember 2002 erzielte die Klägerin ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt i.H.v. 12.438,00 €. Vom 1. Januar bis 2. März 2003 bezog sie Arbeitslosengeld mit einem Bruttowert i.H.v. 4.461,00 €. Vom 3. März bis 31. August 2003 erzielte sie beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt i.H.v. 23.640,00 €. Vom 8. September bis 7. Dezember 2003 bezog sie erneut Arbeitslosengeld mit einem Bruttowert i.H.v. 6.636 €, woraufhin vom 8. Dezember 2003 bis 26. Januar 2004 Bruttoentgelt i.H.v. 3.495 € erzielt wurde.

Die Klägerin erhob gegen den Führer des PKW sowie die B. Klage am Landgericht Frankfurt am Main (Az. 2-04 O 236/03). Das Verfahren wurde rechtskräftig durch Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 1. Februar 2008 (Az. 19 U 203/07) dahingehend beendet, dass festgestellt wurde, dass die beklagten Parteien verpflichtet seien, der Klägerin 50 Prozent ihres zukünftigen materiellen und immateriellen Schadens aus dem Unfallereignis vom 25. November 2002 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen seien. Aus den Entscheidungsgründen ergibt sich, dass für Januar und Februar 2003 Verdienstausfallschaden i.H.v. 2.081,80 €, sowie vom 1. September 2003 bis 31. Dezember 2004 Verdienstausfallschaden i.H.v. 23.453,96 € als Schaden anerkannt wurden, von denen entsprechend der Quote die beklagten Parteien die Hälfte zu tragen hatten.

Erstmals mit Schreiben vom 13. November 2007 meldete die Beklagte bei der B. Ansprüche aus gesetzlichem Forderungsübergang an (Bl. 11 Regressakte). Die B. erklärte den Verzicht auf Erhebung der Einrede der Verjährung bis zuletzt 31.12.2021 (bis 31.12.2009, Bl. 19 Regressakte; bis 31.12.2013, Bl. 74 der Regressakte; bis 31.12.2017, Bl. 116 der Regressakte; bis 31.12.2021, Bl. 49 Gerichtsakte).

Für den Zeitraum 1. Januar bis 2. März 2003 machte die Beklagte einen Beitragsschaden i.H.v. 166,55 €, vom 1. September bis 31. Dezember 2003 i.H.v. 636,00 €, vom 1. Januar bis 17. Mai 2004 i.H.v. 900,88 € und vom 18. Mai bis 31. Dezember 2004 i.H.v. 1.703,43 €, insgesamt 4.591,03 € mit Schreiben vom 22. Februar 2010 (Bl. 48 Regressakte) geltend. Die B. zahlte den Betrag, worauf die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 12. Mai 2011 mitteilte, dass die erstatteten Zeiträume als Pflichtbeitragszeiten aufgenommen werden würden (Bl. 80 Regressakte; Versicherungsverlauf Bl. 169 ff. Regressakte).

Auf Antragstellung im Oktober 2005 gewährt die Beklagte der Klägerin seit 1. Oktober 2005 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgehend von dem Eintritt der Erwerbsunfähigkeit am 25. November 2002 (Bescheid v. 11.05.2010, Bl. 697 VA; Bescheid v. 11.05.2011, Bl. 896 VA; Bescheid v. 20.3.2012, Bl. 1050 VA).

Die Klägerin macht in einem neuen Zivilrechtsstreit vor dem Landgericht Frankfurt am Main weitere Schadenspositionen gegen den Fahrzeugführer und die B. geltend, u.a. Verdienstausfall seit dem 1. Januar 2005 (Az. 2-27 O 447/13)...

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