Leitsatz (amtlich)
(Gesetzliche Unfallversicherung - Unfallversicherungsschutz - Entsendung gem § 4 Abs 1 SGB 4: fortbestehende Inlandsintegration bei vorübergehender Auslandsbeschäftigung - Ausstrahlung - befristeter Arbeitsvertrag: keine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit Hauptleistungspflichten im Inland - befristet angestellter Sportguide einer Sportreisen-GmbH in Deutschland - Hauptleistungspflicht ausschließlich im Ausland)
Orientierungssatz
1. Inländisch - im Geltungsbereich des SGB - ist ein Beschäftigungsverhältnis dann, wenn eine Person für ein deutsches Unternehmen im Inland beschäftigt wird. Für die Prüfung eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne dieser Vorschrift kommt über den Wortlaut der schriftlich getroffenen Vereinbarungen hinaus den faktischen Verhältnissen entscheidende Bedeutung zu.
2. Eine Ausstrahlung ist aber nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil das Beschäftigungsverhältnis im Hinblick auf die Entsendung begründet worden wäre. Insoweit ist es für eine Ausstrahlung dann allerdings notwendig, dass sich die für eine Auslandsbeschäftigung vorgesehene Person vor deren Aufnahme im Inland befunden hat und das Beschäftigungsverhältnis bzw. seine Hauptpflichten nach dem Ende der Entsendung im Inland weitergeführt werden soll/en.
3. In den Fällen, in denen eine Beschäftigung ausschließlich zum Zwecke der Tätigkeit im Ausland eingegangen wird, kann es nicht zu einer Ausstrahlung im Sinne des § 4 SGB 4 kommen. In diesen Fällen wird der Beschäftigte nämlich nicht „im Rahmen“ eines Beschäftigungsverhältnisses im Inland, sondern aufgrund einer Anstellung im Inland ins Ausland geschickt. Der Beschäftigte ist insofern nicht im Sinne des § 4 SGB IV schutzbedürftig, da er schon bei Begründung des Beschäftigungsverhältnisses keinen Versicherungsschutz hatte, der durch die Ausstrahlung erhalten werden könnte. Darüber hinaus würde weder dem Territorialitätsprinzip der Bundesrepublik Deutschland noch der Souveränität des Empfangsstaats Genüge getan, wenn die einfache Einstellung in Deutschland ausreichen könnte, um eine Versicherungspflicht im anderen Staat zu umgehen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung eines Versicherungsfalls.
Der Kläger hatte als „Arbeitnehmer“ mit der D. Reisen GmbH („Arbeitgeber“) am 06.03.2015 folgenden „Befristeten Arbeitsvertrag“ abgeschlossen:
Zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer „werden folgende Beschäftigungsverhältnisse nach deutschem Arbeitsrecht vereinbart:
[das Nachstehende ist im Originaldokument durch vollständige Umrahmung vom übrigen Vertragstext abgegrenzt; Anm. d. Verf.]
Der Arbeitnehmer wird befristet vom 28.04.2015 bis einschließlich 14.10.2015 eingestellt, und innerhalb dieses Beschäftigungsverhältnisses
vom 28.04. - 25.07.2015 als MTB [Mountainbike; Anm. d. Verf.] Guide im Hause Sportclub G. in der Destination C-Stadt [Türkei; Anm. d. Verf.] und
vom 16.08. - 14.10.2015 als Allrounder „Sport“ im Hause Hotel M. in der Destination E-Stadt [Kroatien; Anm. d. Verf.] eingesetzt.
Die monatliche Bruttovergütung beträgt € 1595,--.
In der Bruttovergütung sind folgende Sachleistungen enthalten: 217,05 € für Halbpension und Logis. […]“
Hieran anschließend und außerhalb der Umrahmung befinden sich die §§ 1 bis 15 des Vertrages.
Nach § 1 des Vertrages „[endet] das Beschäftigungsverhältnis [..] jeweils zum angegebenen Termin, ohne dass es einer ausdrücklichen Kündigung bedarf. […] Die Befristung erfolgt aus folgendem Grund: Saisonalbedingte Mitarbeit. Einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Ende der Befristung wird bereits jetzt ausdrücklich widersprochen.“
In § 2 des Vertrages verpflichtet sich der Arbeitnehmer, die in der zum Vertrag gehörenden Ausschreibung (Anlage 1) genannten Tätigkeiten zu übernehmen und zu erledigen. Die Anlage 1 enthält den „Aufgabenkatalog MTB-Guide“ sowie den „Aufgabenkatalog Sportallrounder“, jeweils für „Sommer 2015“. Der „Aufgabenkatalog MTB-Guide“ umfasste u. a. die Planung und Durchführung von MTB-Touren.
Nach § 3 wird für das zeitlich gesehen erste Beschäftigungsverhältnis eine Probezeit von 6 Wochen vereinbart. Während dieser Zeit kann dieses Beschäftigungsverhältnis jederzeit mit einer Frist von 2 Wochen gekündigt werden.
Der Kläger trat seine Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag im Sportclub G. in der Türkei an. Nach entsprechenden Aktennotizen von Sachbearbeiterinnen der Abteilung Rehabilitation der Beklagten wandte sich der Arbeitgeber des Klägers am 04.05.2015 telefonisch an diese und teilte mit, dass der Kläger am 01.05.2015 einen Unfall, einen Schlüsselbeinbruch links, erlitten habe und bereits operiert worden sei. Der Arbeitgeber bat die Beklagte zudem um Übersendung des Formulars „T/A23“. Nach Übermittlung der Unfallanzeige des Arbeitgebers an die Beklagte stellte diese noch am selben Tag das gewünschte Formular aus, die „Bescheinigung über Anspruch auf Sachleistungen bei Arbeitsunfall während des Aufenthalts in der Türkei“...