Entscheidungsstichwort (Thema)
Kranken- / Pflegeversicherung. freiwilliges Mitglied. Verwirkung einer Beitragsnachforderung
Leitsatz (amtlich)
Eine Krankenkasse verwirkt ihren Beitragsnachforderungsanspruch gegenüber einem freiwilligen Mitglied, wenn sie diesem gegenüber in einem persönlichen Gespräch geäußert hatte, dass ein Beitrag nicht mehr offen sei und der Versicherte aufgrund konkreter Umstände darauf vertraut hat, dass der Beitrag wie bisher von dem Arbeitgeber an die Krankenkasse ausgezahlt wird.
Tenor
Die Bescheide vom 24.09.2003, abgeändert durch den Bescheid vom 25.03.2004, in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.09.2004 werden aufgehoben.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine Beitragsnachforderung.
Der Kläger ist seit dem 01.01.1999 bei der Beklagten krankenversichert (freiwillige Mitgliedschaft) und pflegeversichert. Über das Vermögen des Arbeitgebers, bei dem er beschäftigt war, wurde am 31.12.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet. Nach den unwidersprochenen Angaben des Klägers wurde sowohl der Arbeitnehmer-, als auch der Arbeitgeberbeitrag bis einschließlich Februar 2002 von dem Arbeitgeber des Klägers an die Beklagte abgeführt.
Am 24.09.2003 erließ die Beklagte gegenüber dem Kläger zwei Bescheide: Sie setzte den monatlichen Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 01.03.2002 auf insgesamt 546,76 Euro fest und teilte dem Kläger mit, dass ein “Beitragsrest„ für den Zeitraum vom 01.03.2002 bis 30.09.2002 in Höhe von 3827,32 Euro bestehe (Bescheid Bl. 18 Verwaltungsakte); mit weiterem Bescheid forderte Sie den Kläger auf, innerhalb der nächsten vier Wochen diesen Beitragsrest in Höhe von 3827,32 Euro zu zahlen (Bescheid Bl. 19 Verwaltungsakte). Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass ihr im Rahmen der jährlichen Abstimmung der freiwilligen Krankenversicherungsbeiträge für das Jahr 2002 aufgefallen sei, dass für den Kläger von seinem damaligen Arbeitgeber für den Zeitraum vom 01.03.2002 bis 30.09.2002 keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abgeführt worden seien. Aus diesem Grund sei die Beklagte gezwungen, die Beiträge für diesen Zeitraum von dem Kläger nachzufordern.
Am 29.09.2003 fand zwischen einem Mitarbeiter der Beklagten und dem Kläger ein persönliches Gespräch statt, über das der Mitarbeiter eine Aktennotiz (Bl. 20 Verwaltungsakte) mit folgendem Inhalt anfertigte: “Er [der Kläger] hat für den Zeitraum 03/02 bis 09/02 im Dezember vom Insolvenzverwalter die nachträgliche Abrechnung bekommen. Auf diesen [sic!] ist die Überweisung des AG-Anteils mit aufgeführt. Er hat den dort genannten Auszahlungsbetrag aber nie bekommen. Er weist uns dies noch mit seinen Kontoauszügen nach. Er informierte uns, dass in zwei gleichen Fällen seiner ehemaligen Kollegen die DAK und eine BKK die Beitragsschuld erlassen hätten. Erschwerend kommt hinzu, dass Herr L. vor ca. einem Jahr hier war und sich informierte, ob noch Beiträge offen sind. Dies wurde von uns verneint, was vom Unterzeichner bestätigt werden kann. Ob Beiträge offen sind, war damals allerdings auch nicht feststellbar. Nach Eingang der Auszüge werden wir den Fall mit der Mahnabteilung diskutieren. „Nach einem weiteren Schreiben der Beklagten an den Kläger (vom 23.01.2004, Bl. 34 Verwaltungsakte) legte der Klägervertreter am 16.02.2004 (Bl. 37 Verwaltungsakte) Widerspruch ein. Er machte geltend, dass es dem Kläger wegen der Insolvenz seines Arbeitgebers nicht mehr möglich sei, die nicht abgeführten Beiträge bei diesem zu realisieren, obwohl diese von der Arbeitsvergütung des Klägers einbehalten worden seien. Die Beklagte habe durch die verspätete Geltendmachung der nicht abgeführten Beträge grob unbillig gegen ihre sich aus dem Sozialversicherungsverhältnis ergebenden Pflichten verstoßen, so dass dem Kläger ein Schadensersatzanspruch bzw. ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zustehe.
Am 25.03.2004 (Bl. 45 Verwaltungsakte) erließ die Beklagte einen weiteren Beitragsbescheid, in dem sie die Beitragsnachforderung um Säumniszuschläge und Mahngebühren auf insgesamt 3.864,32 Euro erhöhte.
Nach weiterem Schriftwechsel zwischen den Beteiligten wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.09.2004 (Bl. 61 Verwaltungsakte) den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Zahlungspflicht des Klägers als freiwilliges Mitglied begründe sich auf § 23 Abs. 3 der Satzung i.V.m. §§ 252, 250 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V); hiernach seien die Beiträge freiwillig versicherter Mitglieder von diesen selbst zu entrichten. Gemäß § 60 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) gelte dies entsprechend für die Zahlung der Pflegeversicherungsbeiträge. Zu dem Fragenkomplex der Nachforderung von Beiträgen werde auf die höchstrichterliche Rechtsprechung verwiesen. Danach könnten die Krankenkassen zunächst nicht erhobene Beiträge im Rahmen der gesetzlichen Verjährungsvorschriften grundsätzlich nachträglich noch geltend ...