Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung: Rente wegen Erwerbsminderung. Rückforderung von Rentenzahlung wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze

 

Orientierungssatz

1. Die fehlerhafte Mitteilung einer Gewinnprognose für Einkommen aus Gewerbebetrieb im Rahmen einer Antragstellung auf Rente wegen Erwerbsminderung, die Grundlage einer Anrechnung des Einkommens auf die Rentenleistung ist, stellt in der Regel keine grob fahrlässige Pflichtverletzung dar, die zur späteren Rückforderung der Rentenleistung berechtigt, jedenfalls soweit sich aus der Abfrage zur Gewinnschätzung nicht eindeutig ergab, auf welcher Grundlage der Gewinn ermittelt werden sollte.

2. Einzelfall zur Beurteilung des Vorliegen einer Ermessensausübung bei der Entscheidung über die Rücknahme eines Bescheides über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung (hier: Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens verneint).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 09.10.2012; Aktenzeichen B 5 R 8/12 R)

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 14. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2008 wird abgeändert, soweit hierdurch der Bescheid vom 18. Februar 2005 hinsichtlich der Rentenhöhe auf Null reduziert wurde, stattdessen wird eine Reduzierung auf nur ¾ der Rente wegen voller Erwerbsminderung vorgenommen und der Erstattungsbetrag entsprechend gemindert. Der Bescheid vom 30. Oktober 2008 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 4.244,40 EUR für den Zeitraum vom 01. September bis 31. Dezember 2004 und in Höhe von 3.176 EUR für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2005 wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze. Der Kläger meint, ihm würde für die drei streitgegenständlichen Monate im Jahr 2004 zumindest die Rente in Höhe von drei Vierteln der Vollrente zustehen, für 2005 habe er Anspruch auf Rente in voller Höhe.

Dem 1968 geborenen Kläger bewilligte die Beklagte auf seinen Antrag mit Bescheid vom 18. Februar 2005 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. September 2004 befristet bis zum 28. Februar 2007. Der Kläger war weiterhin als Kommanditist an dem KfZ-Betrieb beteiligt, den er zuvor als Geschäftsführer geleitet hatte und vermietete ihm das Betriebsgrundstück. Er hatte mit Schreiben vom 31. Januar 2005 angegeben, seine Einkünfte aus Gewerbebetrieb hätten von September bis zum 8. November 2004 bei 0 Euro gelegen. Mit Schreiben vom 24. Mai 2005 gab er an, auch bis 30. April 2005 würden seine Einkünfte aus Gewerbebetrieb bei 0 Euro liegen. Mit Schreiben vom 16. Oktober 2006 (Eingang am 18. Oktober 2006) übersandte der Kläger seinen Einkommenssteuerbescheid 2004 mit einem Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 27.325 Euro. Mit Schreiben vom 27. April 2007 hörte die Beklagte den Kläger zu einer teilweisen Aufhebung des Rentenbewilligungsbescheides und Rückforderung von Rente an. Der Kläger meldete sich nicht. Mit Bescheid vom 14. Juni 2007 berechnete die Beklagte die Rente aufgrund der Höhe des Hinzuverdienstes neu, hob gemäß § 45 SGB X für die Zeit ab 01. September bis 31. Dezember 2004 den Bescheid vom 18. Februar 2005 hinsichtlich der Rentenhöhe auf und forderte die Erstattung der Überzahlung in Höhe von 4244,40 EUR. Dagegen erhob der Kläger am 17. Juli 2007 Widerspruch mit der Begründung, er sei als Kommanditist an der Autohaus C GmbH und Co.KG beteiligt und Miteigentümer des an diese vermieteten Grundstücks. Steuerlich habe eine Betriebsaufspaltung vorgelegen, so dass diese Vermietungseinkünfte steuerlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb darstellen. Dem Kläger sei außerdem aus der Beteiligung an der Autohaus C GmbH ein Verlust in Höhe von 19.685,29 EUR zugewiesen worden, der aber steuerlich nicht im Jahr der Entstehung berücksichtigt werde. Er verwies auf den an das Autohaus C GmbH und Co.KG gerichteten Bescheid für 2004 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen. Bei richtiger Berechnung ergebe sich ein Hinzuverdienst in Höhe von monatlich nur 215,87 EUR. Die Beklagte teilte daraufhin mit, dass regelmäßig der Einkommenssteuerbescheid maßgeblich, ein Verlustvortrag bzw. Verlustrücktrag nach der Rechtsprechung des BSG nicht zulässig sei, da dies von den Gewinnermittlungsvorschriften des EStG nicht erfasst sei. Die Klägerseite nahm den Widerspruch teilweise zurück und zwar mit der Maßgabe, dass ein Anspruch auf ¾ der Vollrente bestanden habe. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2008 zurück. Arbeitseinkommen sei gemäß § 15 Abs 1 Satz 1 SGB IV der nach dem Steuerbescheid ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit. Eine Überprüfung durch den Rentenversicherungsträger komme insoweit nicht in Betracht, so dass der Bescheid vom 18. Februar 2005 gemäß § 45 SGB X aufgehoben werden müsse.

Dagegen hat der Kläger am 12. Februar 2008 Klage erhoben. Die Beklagte hat während des l...

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