Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Übernahme der Kosten einer Heimunterbringung. Einsetzen der Sozialhilfe. Zulässigkeit einer rückwirkenden Leistungserbringung. Kenntnis des Sozialhilfeträgers vom Hilfefall. Zurechnung der Kenntnis einer anderen Stelle der Gebietskörperschaft. Kenntnisgrundsatz. Zurechnung der Kenntnis einer anderen Stelle
Orientierungssatz
1. Ein rückwirkendes Einsetzen der Sozialhilfe ist auch im Rahmen des § 18 Abs 1 SGB 12 nicht nur zulässig, sondern auch gerechtfertigt, sofern Kenntnis des Sozialhilfeträgers von der Notlage vorlag - selbst wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht verifiziert war.
2. In Anwendung des Grundsatzes der Einheit der Verwaltung ist unter dem Begriff des Sozialhilfeträgers iS des § 18 Abs 1 SGB 12 nicht lediglich das Sozialamt einer kreisfreien Stadt oder eines Landkreises zu verstehen, sondern die gesamte Verwaltung des Hilfeträgers, also zB auch das Jugendamt, das Gesundheitsamt, der Allgemeine Sozialdienst (ASD) oder auch die Betreuungsbehörde.
Tenor
Der Bescheid vom 7. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2011 wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, die Kosten der Heimunterbringung des Klägers im Haus D., A Stadt, auch für die Zeit vom 30. Juli 2010 bis 1. September 2010 in gesetzlich vorgesehenem Umfang zu übernehmen.
Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über das Einsetzen der Sozialhilfe in Form der Übernahme der (ungedeckten) Kosten der Heimunterbringung des Klägers im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB XII).
Bei dem 1942 geborenen Kläger besteht ausweislich der ärztlichen Stellungnahme des Klinikums Hanau vom 30. Juli 2010 ein beginnendes Korsakow-Syndrom aufgrund langjähriger Alkoholabhängigkeit. Aufgrund dessen bestellte das Amtsgericht Hanau dem Kläger unter Einschaltung der bei dem Gesundheitsamt des Beklagten eingerichteten Betreuungsstelle durch Beschluss vom 31. August 2010 einen gesetzlichen Betreuer.
Seit 30. Juli 2010 befand sich der Kläger im Haus D. der E. Suchthilfe in A-Stadt und in der dortigen sozialtherapeutischen Einrichtung zunächst bis 31. August 2010 auf einem Kurzzeitwohnplatz. Unter dem 19. August 2010 erstellten die Main-Kinzig Kliniken die fachpsychiatrische gutachtliche Stellungnahme und mit dem Ergebnis, der Kläger gehöre zu den Personen, bei denen infolge seelischer Störungen die Fähigkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft in erheblichem Umfange beeinträchtigt sei, so dass er Hilfe in den Bereichen Wohnen, Tagesstruktur, Arbeit/Beschäftigung benötige. Weiterhin ist für den Kläger in diesem Rahmen ein "Integrierter Behandlungs-/rehabilitationsplan (IBRP)„ unter dem 28. August 2010 erstellt worden. Schließlich erklärte der Kläger unter dem 25. August 2010 sein Einverständnis mit der Weitergabe seiner personenbezogenen Daten an die an der Hilfeplanung beteiligten Behörden/Stellen durch eine zuvor benannte koordinierende Bezugsperson (Frau F.).
Unter dem 2. September 2010 wandte sich die Heimleitung des Hauses D. an das Sozialamt der Stadt Hanau und teilte diesem mit, dass sich der Kläger seit 30. Juli 2010 in der dortigen Einrichtung befinde. Seit dem 1. September 2010 sei nun ein Platz in dem vollstationären Bereich frei. Weiter heißt es in dem genannten Schreiben, in Anbetracht des Alters des Klägers falle die Zuständigkeit nicht an den Landeswohlfahrtsverband. Es werde daher im Rahmen eines formlosen Sozialhilfeantrages Übernahme der ungedeckten Heimkosten beantragt, da der letzte Wohnort des Klägers G-Stadt gewesen sei. Letzterer werde am 9. September 2010 der Hilfeplankonferenz vorgestellt und erhalte dort voraussichtlich eine Empfehlung für die stationäre Maßnahme.
Den sodann auch förmlich durch den Kläger unter dem 17. September 2010 gestellten Leistungsantrag gab das Sozialamt der Stadt Hanau zuständigkeitshalber an den Beklagten ab, der die Ermittlungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers fortführte und in diesen Rahmen u.a. beizog: Protokollnotiz der Hilfeplankonferenz vom 9. September 2010, den integrierten Behandlungs-/Rehabilitationsplan vom 25. August 2010, Einverständniserklärung des Klägers gleichen Datums, fachpsychiatrische gutachtliche Stellungnahme vom 19. August 2010 sowie Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Hessen vom 20. September 2010 über die Feststellung der Pflegebedürftigkeit des Klägers, mit dem Ergebnis, dass Pflegebedürftigkeit bei diesem nicht vorliege, jedoch ein Bedarf für Betreuung und Therapie bestehe.
Durch Bescheid vom 7. Januar 2011 teilte der Beklagte dem Betreuer des Klägers mit, dass ab 2. September 2010 die entstehenden ungedeckten Kosten der Unterbringung des Klägers im Haus D. in der Hilfebedarfs Gruppe 3 für Wohnen und Gestaltung des Tages übernommen würden. Zur Begründung seiner Entscheidung führte der Beklagte weiter aus, die eventuelle Hilfebedür...