Leitsatz (amtlich)
Erklärt die Krankenkasse durch Bescheid dem Grunde nach die Inanspruchnahme einer privatärztlichen Leistung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse durch den Versicherten für zulässig, muss die Krankenkasse auch die Kosten der privatärztlichen Leistung in voller Höhe lediglich begrenzt durch die Bestimmungen für privatärztliche Leistungen erstatten. Die Kostenübernahme kann dann nicht unter Verweis auf das Sachleistungsprinzip (teilweise) abgelehnt werden.
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 24.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.08.2011 verurteilt, dem Kläger für die am 04.07.2011, 13.07.2011, 01.08.2011, 10.08.2011, 29.08.2011 und 07.09.2011 verabreichten intravitrealen Injektionen des Medikaments Lucentis weitere 1.494,30 € zu erstatten.
2. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zur Übernahme der Kosten für die intravitreale Injektion des VEGF-Hemmers Lucentis® verpflichtet ist.
Der 1950 geborene Kläger leidet an einer beidseitigen Visusbeeinträchtigung infolge eines diabetischen Makulaödems. Hierbei handelt es sich um eine Folgeerkrankung des beim Kläger diagnostizierten Diabetes mellitus. Es kommt zu einer Beschädigung der Gefäßwände der Netzhaut und zur zusätzlichen Bildung von kleinen Gefäßausbuchtungen, so genannten Mikroaneurysmen. Tritt Flüssigkeit aus diesen aus, kann sich im Bereich der Makula eine Schwellung (Ödem) bilden. Man spricht dann vom diabetischen Makulaödem. Der Körper versucht hierauf zu reagieren, indem er vermehrt Wachstumsfaktoren wie den VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) produziert, die eine Neubildung von Blutgefäßen vorantreiben. Im Ergebnis führt dies jedoch zu einer weiteren Verschlechterung des Sehvermögens bis hin zur vollständigen Erblindung (vgl. hierzu Fath, in: Deutsches Ärzteblatt 108, Heft 12, S. A-659).
Therapieoption ist insoweit der Einsatz eines VEGF-Hemmers. Zur Anwendung am Auge verfügt jedoch derzeit allein der Wirkstoff Ranibizumab, der unter dem Handelsnamen Lucentis® vertrieben wird, über eine entsprechende arzneimittelrechtliche Zulassung. Es handelt sich hierbei um einen technisch hergestellten Antikörper, für den in Studien gezeigt werden konnte, dass er sowohl in Kombination mit Laser als auch als alleinige Therapie zu einer signifikanten Verbesserung der Sehkraft führen kann. Ranibizumab wirkt durch die Blockade des VEGF (vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor), der bei diabetischem Makulaödem vermehrt nachgewiesen wird. Somit wirkt die Substanz auch der Neubildung von schadhaften Blutgefäßen entgegen (vgl. zum Ganzen: Informationen der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, http://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/NA/Archiv/2011022-Lucentis.pdf).
Das Medikament wird direkt ins Auge gespritzt; zu Beginn der Therapie häufiger, bis eine Verbesserung des klinischen Befunds eingetreten ist. Der Antikörper wird nur dann erneut verabreicht, wenn im Zuge der erforderlichen monatlichen Nachkontrollen wieder ein signifikanter Verlust der Sehkraft festgestellt wird.
Am 22.02.2011 beantragte der Kläger die Übernahme der Kosten für die Durchführung von zunächst 3 intravitrealen Injektionen (IVI) von Lucentis® (je Auge). Der von der Klinik für Augenheilkunde des “W. Krankenhauses E.„ (im Folgenden: Augenklinik) ausgestellte Kostenvoranschlag wies insoweit ein ärztliches Honorar pro IVI in Höhe von 335,15 € analog Ziffer 1383 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) zuzüglich der OP-Sachkosten in Höhe von 18,63 € sowie ein ärztliches Honorar in Höhe von ca. 80,00 € für eine Nachuntersuchung aus.
Mit Bescheid vom 24.02.2011 teilte die Beklagte dem Kläger daraufhin mit, sie beteilige sich an den Kosten der beantragten 1. bis 3. Injektionen am rechten und linken Auge. Pro Injektion würden Kosten der privatärztlichen Leistung in Höhe von 153,03 € übernommen. Das Arzneimittel Lucentis® sei als Kassenrezept zu verordnen. Eine Rechtsmittelbelehrung enthielt der Bescheid nicht.
Mit Schreiben seines damaligen Bevollmächtigten vom 16.03.2011 bat der Kläger sodann die Beklagte um nähere Erläuterung, welche Kostenpositionen im Einzelnen von der Beklagten übernommen würden. Beigefügt war der Anfrage die am 21.02.2011 vom Kläger mit der Augenklinik abgeschlossene privatärztlichen Vereinbarung vom 21.02.1011, die aufgeschlüsselt nach einzelnen Gebührenziffern der GOÄ ein ärztliches Gesamthonorar einschließlich der Nachuntersuchung exklusive Arzneimittelkosten in Höhe von 415,15 € auswies.
Mit Schreiben vom 17.03.2011 teilte die Beklagte dem Kläger sodann mit, es würde lediglich ein Betrag in Höhe von 153,03 € pro Injektion erstattet. Vom Kläger seien damit pro Injektion 262,12 € selbst zu tragen.
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 01.06.2011 erhob d. Kläger sodann gegen den Bescheid vom 24.02.2011 Widerspruch mit der Begründung, angesichts der fehlenden Abrechnungsfähigkeit der IVI mangels EBM-Ziffer...