Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. Änderung des Grads der Behinderung bei Hinzutreten einer weiteren Erkrankung. Abschmelzung eines zuvor zu hoch festgesetzten Behinderungsgrads. Bestandskraft des Ausgangsbescheids. einzelne Gesundheitsstörung. Abschmelzungsbescheid
Orientierungssatz
1. Hat die Behörde nach einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse (hier Hinzutreten einer neuen Erkrankung) den Grad der Behinderung (GdB) neu festzustellen, so muss sie die bisherige Festsetzung des GdB insoweit ändern, soweit tatsächlich eine Änderung in den dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Verhältnissen eingetreten ist.
2. Ist der bisherige GdB rechtswidrig zu hoch bewertet worden, aber der entsprechende Festsetzungsbescheid nicht mehr nach § 45 SGB 10 zurücknehmbar, setzt eine von der Bestandskraft des Ausgangsbescheids unabhängige Neufeststellung des GdB nach § 48 Abs 3 SGB 10 voraus, dass in einem Abschmelzungsbescheid festgestellt wurde, dass die ursprüngliche, nicht mehr zurücknehmbare GdB-Festsetzung rechtswidrig gewesen ist.
3. Zumindest dann, wenn das ehemals festgestellte Ausmaß einer einzigen Gesundheitsstörung das alleinige tragende Element der (Gesamt-)GdB-Feststellung war, ist es nicht gerechtfertigt, eine "stille Abschmelzung" in dem Sinne vorzunehmen, dass weitere neu hinzugetretene Gesundheitsstörungen solange nicht berücksichtigt werden, bis das nun für gerechtfertigt erachtete Ausmaß der Beeinträchtigung dem seinerzeit festgestellten (Gesamt-)GdB entspricht (vgl LSG Essen vom 8.9.2004 - L 10 SB 82/03).
Nachgehend
Tenor
Der Bescheid des Beklagten vom 10. März 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2005 in der Fassung des Rücknahmebescheides vom 1. März 2007 wird teilweise aufgehoben, soweit es über den 9. Juli 2007 hinaus bei einem Grad der Behinderung von 30 verblieben ist.
2. Der Beklagte wird verpflichtet, seinen Bescheid vom 21. Januar 2002 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 5. November 2002 mit Wirkung vom 10. Juli 2007 teilweise aufzuheben und beim Kläger ab 10. Juli 2007 einen Grad der Behinderung von 40 festzustellen.
3. Der Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Wege eines Überprüfungsantrags nunmehr nur noch die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 40. Streitig ist insbesondere, ob der Beklagte dem Kläger bei zuvor zu hoch festgestelltem GdB nach einer eingetretenen Verschlimmerung des Gesundheitszustandes durch eine "stille" Abschmelzung die Erhöhung des GdB zu Recht verwehrt hat.
Der Kläger hatte beim Beklagten am 16. August 2001 die Durchführung des Verfahrens zur Feststellung von Behinderungen und des GdB beantragt.
Diesen Antrag hatte der Beklagte mit Bescheid vom 31. Januar 2002 mit der Begründung abgelehnt, dass der GdB des Klägers wegen der vorliegenden Beeinträchtigungen weniger als 20 betrage und aufgrund dessen kein Feststellungsinteresse bestehe.
Aufgrund des Widerspruchs des Klägers vom 20. Februar 2002 hatte der Beklagte weitere Ermittlungen eingeleitet, in deren Ergebnis der Facharzt für Allgemeinmedizin, Dr. G, in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 31. Juli 2002 beim Kläger als Beeinträchtigungen
- eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen mit einem Einzel-GdB von 20
- Knorpelschäden der Kniegelenke, eine Funktionseinschränkung der Füße mit einem Einzel-GdB von 20
- eine Fettleber mit einem Einzel-GdB von 10 und
- eine Nierenfehlbildung links mit einem Einzel-GdB von 10
festgestellt und den Gesamt-GdB mit 30 bewertet hatte. Nicht als Beeinträchtigungen zu berücksichtigen seien das Nierensteinleiden, die Fettstoffwechselstörung und die Funktionsbehinderung des rechten Ellenbogengelenks, weil sie keinen GdB von wenigstens 10 bedingen würden.
Aufgrund dessen war durch den Beklagten mit Bescheid vom 5. November 2002 beim Kläger ab 16. August 2001 ein GdB von 30 festgestellt worden. Die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises hatte der Beklagte mit der Begründung abgelehnt, dass der GdB nicht mindestens 50 betrage.
Auf einen Änderungsantrag des Klägers vom 29. Dezember 2004, mit welchem er nunmehr auch die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" begehrte, stellte der Beklagte beim Kläger mit Bescheid vom 10. März 2005 unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 5. November 2002 ab 29. Dezember 2004 einen GdB von 40 und eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit fest.
Grundlage für die Feststellungen war eine gutachtliche Stellungnahme von Dr. G vom 28. Februar 2005, in welcher als Beeinträchtigungen beim Kläger
- eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 30
- Knorpelschäden am Kniegelenk beidseits, eine Funktionseinschränkung des Fußes beidseits mit einem Einzel-GdB von 20
- eine Fettleber mit einem Einzel-GdB von 10
- eine Nierenfehlbildung links mit einem Einz...