Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Aussetzung des Verfahrens zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts. Ermessen der Gerichts. Ermessensreduzierung auf Null
Orientierungssatz
Ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage wird in Analogie zu § 114 SGG eine Aussetzung für zulässig oder geboten gehalten, wenn das Gericht die Gelegenheit geben muss, eine fehlende Prozessvoraussetzung herbeizuführen oder wenn ein Beweismittel nicht sofort zur Verfügung steht oder das BVerfG eine Norm für unvereinbar mit dem GG erklärt, ohne die Anwendbarkeit der Norm für eine Übergangszeit anzuordnen. Dabei reduziert sich das grundsätzliche Ermessen der Gerichts nur dann auf Null, wenn ohne die Aussetzung eine Sachentscheidung nicht möglich ist (vgl BSG vom 13.11.2006 - B 13 R 423/06 B).
Nachgehend
Tenor
Bei dem Bundessozialgericht wird beantragt, gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 5 des Sozialgerichtsgesetzes das örtlich zuständige Sozialgericht zu bestimmen.
Bis zur Entscheidung des Bundessozialgerichts wird das Verfahren analog § 114 Abs. 2 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes von Amts wegen ausgesetzt.
Gründe
I.
Die Kläger zu 1) und 2) sind Geschwister des ... 2006 verstorbenen K. Hi. sowie Kinder der ... 2010 verstorbenen R. H. und haben diese beerbt.
K. H. bezog vom Beklagten bis zum 31.07.2002 Leistungen der Eingliederungshilfe gemäß § 54 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) i.V.m. § 41 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) für den Besuch einer Werkstatt für behinderte Menschen. Mit jeweils einem Bescheid vom 26.08.2009 in Gestalt des jeweiligen Widerspruchsbescheides vom 08.07.2010 forderte der Beklagte vom Kläger zu 1), vom Kläger zu 2) und von R. H. Kostenersatz durch Erben nach § 102 SGB XII in Höhe von 39.398,72 Euro. Am 22.07.2010 haben die Kläger zu 1) und 2) selbst sowie als Erbengemeinschaft nach R. H. zum Sozialgericht Freiburg gegen die drei Bescheide der Beklagten vom 26.08.2009 in Gestalt des jeweiligen Widerspruchsbescheides vom 08.07.2010 Klage erhoben und machen im Wesentlichen geltend, dass die Inanspruchnahme der Erben nach der Besonderheit des Einzelfalles eine besondere Härte bedeuten würde.
Der Kläger zu 1) hatte bei Klageerhebung seinen Wohnsitz in K. im Bezirk des Sozialgerichts Freiburg in Baden-Württemberg. Der Kläger zu 2) hatte bei Klageerhebung seinen Wohnsitz im Bezirk des Sozialgerichts Berlin.
II.
Innerhalb der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, zu denen gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) der Rechtsweg offen steht, weil es sich um eine öffentlichrechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialhilfe handelt, ist nach § 8 SGG im ersten Rechtszug das Sozialgericht sachlich zuständig. Obwohl eine notwendige Streitgenossenschaft zwischen den Klägern bestehen kann, besteht allerdings nach § 57 SGG keine gemeinsame Örtliche Zuständigkeit für die Klagen der Kläger.
Soweit das streitige Rechtsverhältnis allen Streitgenossen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden kann, liegt eine notwendige Streitgenossenschaft vor (vgl. § 74 SGG, § 62 der Zivilprozessordnung [ZPO]). In diesen Fällen ist ein einziges Gericht für die gemeinsame Verhandlung und Entscheidung der Klagen zuständig. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann in Fällen wie diesem eine prozessual notwendige Streitgenossenschaft vorliegen, weil die Kläger als Miterben in Erbengemeinschaft bei demselben Gericht Klage erhoben haben (vgl. BSG, Beschl. v. 30.03.2004 - B 7 SF 36/03 S, SozR 4-1500 § 58 Nr. 2; BSG, Beschl. v. 05.04.2007 - B 12 SF 2/07 S, juris).
Nach § 57 Abs. 1 SGG ist örtlich zuständig das Sozialgericht, in dessen Bezirk der Kläger zur Zeit der Klageerhebung seinen Sitz oder Wohnsitz oder Aufenthalts- oder Beschäftigungsort hat. Hier haben die Kläger ihre Wohnsitze in verschiedenen Bundesländern; Anhaltspunkte für die Beschäftigung aller Kläger nur in einem einzigen Sozialgerichtsbezirk bestehen nicht.
Ist eine örtliche Zuständigkeit nach § 57 SGG nicht gegeben, sieht § 58 Abs. 1 Nr. 5 SGG vor, dass das zuständige Gericht innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit durch das gemeinsam nächsthöhere Gericht bestimmt wird. Da die Kläger ihre Wohnsitze in verschiedenen Bundesländern haben, ist das gemeinsam nächsthöhere Gericht das Bundessozialgericht. Bei diesem war der Antrag zu stellen, das zuständige Gericht zu bestimmen.
Das Verfahren ist von Amts wegen auszusetzen. Nach § 114 SGG kann das Gericht das Verfahren bis zur Klärung eines familien- oder erbrechtlichen Verhältnisses (Abs. 1), bis zur Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines anderen Rechtsverhältnisses, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreit bildet oder von einer Verwaltungsstelle festzustellen ist (Abs. 2 Satz 1), auf Antrag zur Heilung von Verfahrens- oder Formfehlern (Abs. 2 Satz 2) oder bei Verdacht auf eine Straftat bis zur Erledigung des Strafverfahrens (Abs. 3) aussetzen. Ohn...