Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung als sog. Arbeitsmarktrente
Orientierungssatz
1. Nach § 43 Abs. 1 S. 2 SGB 6 ist teilweise erwerbsgemindert, wer auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
2. Bei verschlossenem Teilzeitarbeitsmarkt hat ein solcher leistungsgeminderter Versicherter Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung. Der Arbeitsmarkt ist dann verschlossen, wenn ihm weder der Rentenversicherungsträger noch das zuständige Arbeitsamt innerhalb eines Jahres seit Stellung des Rentenantrags einen für ihn in Betracht kommenden Arbeitsplatz anbieten kann. Bei der Erwerbsminderung eines zwischen drei und sechs Stunden einsatzfähigen Versicherten ist bei rückwirkender Prüfung der Arbeitsmarktlage der Nachweis konkreter Vermittlungsbemühungen nicht mehr erforderlich.
3. Entgegen dem Wortlaut des § 43 Abs. 2 S. 2 SGB 6 liegt volle Erwerbsminderung nicht erst dann vor, wenn das berufliche Leistungsvermögen auf weniger als drei Stunden täglich abgesunken ist, sondern bereits dann, wenn es unter sechs Stunden abgesunken und der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen ist.
4. Die sog. Arbeitsmarktrente nach § 102 Abs. 2 S. 5 SGB 6 ist zwingend zu befristen; dies verstößt nicht gegen den in § 31 SGB 1 verankerten Vorbehalt des Gesetzes. Als Gewohnheitsrecht stellt die Arbeitsmarktrente eine auf gleichem Rang wie das Gesetz stehende Rechtsquelle dar.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab November 2010 an die Klägerin.
Die 1954 geborene Klägerin ist seit dem 16.07.2009 anerkannt schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 40. Sie war zuletzt im Oktober 1994 als Küchenhilfe versicherungspflichtig beschäftigt und verfügte im Anschluss daran bis Februar 2006 über keinerlei eigenen Einkünfte. Seit März 2006 steht die Klägerin im durchgängigen Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Nachdem die Klägerin im Anschluss an ihren Verlust des letzten Arbeitsplatzes erstmals bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente beantragt hatte und dieser Antrag durch die Beklagte abgelehnt worden war, gewährte die Beklagte der Klägerin im Wege eines gerichtlichen Vergleiches eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme, die vom 14.11.1997 bis 12.12.1997 in der Z.-Klinik in B. durchgeführt wurde. Die Klägerin wurde hieraus als erwerbsfähig für Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem zeitlichen Umfang von täglich sechs Stunden und mehr entlassen.
Am 03.01.2007 stellte die Klägerin bei der Beklagten erneut einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente, da sie wegen verschiedener Erkrankungen keinerlei Tätigkeiten mehr verrichten könne. Diesen Antrag lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 25.01.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2007 ab, da die Klägerin weder erwerbsgemindert sei noch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente erfüllt seien. Die gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) erforderliche 3/5-Belegung setze den Eintritt eines Leistungsfalles spätestens Ende November 1996 voraus. Die Klägerin erhob daraufhin am 21.08.2007 erneut eine Klage zum Sozialgericht Freiburg, die unter dem Aktenzeichen S 6 R 4471/07 geführt wurde. Im gerichtlichen Verfahren wurde unter anderem Beweis erhoben durch Einholung eines fachpsychiatrischen Gutachtens, das am 31.10.2008 durch Dr. Dipl.-Psych. S., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in F., erstellt wurde. Der Sachverständige kam dabei zu dem Ergebnis, dass sich die psychische Erkrankung der Klägerin in den letzten Jahren deutlich verschlechtert und chronifiziert habe. Ausgehend von den Diagnosen einer differenzierten Somatisierungsstörung, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung sowie einer mittelgradigen depressiven Episode mit somatischem Syndrom schätzte Dr. Dipl.-Psych. S. das quantitative Restleistungsvermögen der Klägerin auf maximal vier Stunden täglich für körperlich leichte Tätigkeiten ein. Mit einer grundlegenden Besserung der Beschwerden sei nicht zu rechnen. Diese aktuell bestehenden Beschwerden bestünden in diesem Ausmaß vermutlich seit einigen Jahren, ohne dass es möglich sei, einen genauen Zeitpunkt anzugeben.
Im Wesentlichen auf dieses Gutachten gestützt wies die 6. Kammer des Sozialgerichts Freiburg durch Urteil vom 13.07.2009 die Klage ab. Die Klägerin sei zwar auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch unter sechs Stunden täglich leistungsfähig. Der Leistungsfall sei jedoch nicht bis spätestens Ende November 1996 nachgewiesen, zumal die Kammer davon ausgehe, dass der Leistungsfall erst deutlich später eingetreten sei. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewähr...