Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zum Lebensunterhalt. einmaliger Bedarf. Wohnungserstausstattung. Verlust der Wohnungseinrichtung infolge eines psychotischen Schubes
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Anspruch auf Wohnungserstausstattung nach § 31 Abs 1 Nr 1 SGB XII nach Verlust einer bisher vorhandenen Einrichtung setzt einen plötzlichen Verlust voraus, der auf ein punktuelles Ereignis zurückzuführen ist, und darf nicht lediglich das Ergebnis eines schleichenden, schrittweisen Verschleißprozesses sein.
2. Das Verlustereignis kann seine Ursache auch in einer psychischen Erkrankung des Betroffenen haben, wenn diese sich durch vom Betroffenen nicht willentlich kontrollierbare Handlungszwänge manifestiert, die ihn zur Zerstörung bzw Entsorgung der Einrichtung nötigen.
3. Der Anspruch ist nicht begrenzt auf Verlust oder Untergang der Einrichtung aufgrund von Umständen, die sich im Sinne einer rein physisch-naturwissenschaftlichen Unterscheidung außerhalb des Körpers des Betroffenen abspielen.
Nachgehend
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 10.5.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.3.2018 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine Beihilfe für die Erstausstattung der Wohnung nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII in Höhe von 771,00 € zu gewähren.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin dem Grunde nach zu 2/3.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen für die Erstausstattung einer Wohnung im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII.
Die am … geborene Klägerin ist tschechische Staatsangehörige und lebt seit 1998 in Deutschland. Sie ist geschieden. Sie bezog zunächst vom Jobcenter F. Arbeitslosengeld II. Sie bewohnte eine Mietwohnung im Z-Weg in F., die von der F-GmbH vermietet wurde.
Anfang des Jahres 2016 trat bei der Klägerin erstmals eine psychische Erkrankung auf. Sie äußerte sich in akustischen und visuelle Halluzinationen (Stimmenhören bzw. Gespräche mit nicht anwesenden Personen sowie „Engeln, Teufeln und Dämonen“) sowie in der Überzeugung der Klägerin, dass ihre Wohnung und die darin befindlichen Möbel, der Hausrat und ihre persönliche Habe „vergiftet“ oder „verflucht“ seien. Die Klägerin entsorgte daraufhin weite Teile ihrer Möbel, ihres Hausrats und ihrer persönlichen Habe einschließlich Kleidung und Ausweisdokumenten, obwohl diese Gegenstände objektiv betrachtet noch funktionsfähig waren. Zeitweise nahm die Klägerin auch keine Nahrung zu sich, da sie fürchtete, auch diese sei „vergiftet“.
Auf Initiative der erwachsenen Kinder der Klägerin wurde sie daraufhin im Auftrag des Betreuungsgerichts am 21.1.2016 durch den Psychiater Dr. P. begutachtet. Dr. P. befürwortete die Einrichtung einer Betreuung. Auch eine stationäre Unterbringung der Klägerin erwog er, hielt sie allerdings mangels Anzeichen für eine akute Selbst- oder Fremdgefährdung nicht für notwendig. Das Betreuungsgericht bestellte daher am 27.1.2016 eine Betreuerin für die Klägerin u. a. mit den Aufgabenbereichen Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden und Wohnungsangelegenheiten.
Vom 15.4. - 1.6.2016 befand sich die Klägerin, nachdem die psychiatrischen Symptome anhielten, zur stationären Behandlung in der Z-Klinik in E.. Dort wurde eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert.
Nachdem die Deutsche Rentenversicherung Bayern-Süd eine volle Erwerbsminderung der Klägerin auf Zeit bis zum 31.1.2018 festgestellt hatte, endete der Bezug von Arbeitslosengeld II zum 31.8.2016 und die Klägerin stellte einen Antrag auf existenzsichernde Leistungen nach dem SGB XII bei der Beklagten.
Vom 3. - 25.11.2016 befand sich die Klägerin zum zweiten Mal in stationärer Behandlung in der Z-Klinik in E..
Mit Bescheid vom 17.2.2017 und Änderungsbescheiden vom 4.4.2017, 8.6.2017 und 8.1.2018 bewilligte die Beklagte der Klägerin Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des
SGB XII für den Zeitraum vom 1.9.2016 - 31.1.2018.
Vom 23.3. - 9.4.2017 befand sich die Klägerin zum dritten Mal in stationärer Behandlung in der Z-Klinik in E.
Im Anschluss daran zog die Klägerin in eine neue Wohnung im Z-Weg … in Freiburg um. Anlässlich dieses Umzugs beantragte die Betreuerin für die Klägerin die Gewährung einer Beihilfe für die Erstausstattung der Wohnung nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII. Die Klägerin benötige Ersatz für die im Rahmen der psychotischen Schübe des vergangenen Jahres als „vergiftet“ bzw. „verflucht“ entsorgten Möbel und Haushaltsgegenstände.
Mit Bescheid vom 10.5.2017 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Da lediglich ein Ersatz für nicht mehr vorhandene Einrichtung geltend gemacht werde, handele sich nicht um eine Erstausstattung im Sinne des § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII, sondern lediglich um einen Ergänzungsbedarf. Dieser sei aus der Regelleistung zu bestreiten. Soweit diese nicht ausreiche, könne ...