Entscheidungsstichwort (Thema)

Fremdrentenrecht. Spätaussiedler. Hinterbliebene mit eigener Rente. Begrenzung der anrechenbaren Zeiten auf 25 Entgeltpunkte. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Die Entgeltpunktebegrenzung des § 22b Abs 1 S 1 FRG ist entgegen BSG vom 30.8.2001 - B 4 RA 118/00 R = BSGE 88, 288 = SozR 3-5050 § 22b Nr 2 auch beim Zusammentreffen von Hinterbliebenenrenten mit Renten aus eigener Versicherung anzuwenden.

 

Orientierungssatz

§ 22b FRG verstößt nicht gegen das GG (Art 3 Abs 1, Art 14 und Art 20 Abs 1).

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Klägerin von der Beklagten die Auszahlung einer Witwenrente beanspruchen kann.

Die 1935 in Russland geborene Klägerin siedelte am 26.5.1998 in die Bundesrepublik Deutschland über. Sie ist als Spätaussiedlerin im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes anerkannt (Bescheinigung des Landratsamts O vom 12.10.1998). Sie war mit dem 1934 geborenen und 1984 noch im Herkunftsgebiet verstorbenen J verheiratet.

Die Beklagte gewährte der Klägerin mit bindendem Bescheid vom 2.11.1998 auf deren Antrag vom 17.6.1998 eine nach dem Fremdrentengesetz (FRG) berechnete Altersrente für langjährig Versicherte vom 26.5.1998 an. Mit weiterem Bescheid vom 3.11.1998 stellte die Beklagte auf den Antrag der Klägerin vom 17.6.1998 fest, dass dem Grunde nach ein Anspruch auf Witwenrente bestehe. Da bei der Berechnung der Altersrente der Klägerin bereits die gemäß § 22 b FRG maximal zu berücksichtigenden 25 Entgeltpunkte zugrundegelegt worden seien, komme eine Auszahlung der Rente aber nicht in Betracht. Auch dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 16.5.2002 beantragte die Klägerin die Überprüfung der Entscheidung zur Witwenrente. Sie nahm dabei auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30.8.2001 (B 4 RA 118/00 R) Bezug, in der festgestellt worden sei, dass bei einem Zusammentreffen von Alters- und Witwenrente die Begrenzung auf maximal insgesamt 25 Entgeltpunkte nicht zulässig sei. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 5.6.2002 ab und bestätigte diese Entscheidung auf den Widerspruch der Klägerin vom 29.7.2002 mit Widerspruchsbescheid vom 22.8.2002. Sie vertrat die Auffassung, dass die Entscheidung des BSG sich lediglich auf den Einzelfall beziehe und ihr darüber hinaus nicht zu folgen sei. Die Begrenzungsregelung des § 22 b FRG beziehe sich nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Vorschrift auch auf Hinterbliebenenrenten.

Dagegen richtet sich die am 10.9.2002 zum Sozialgericht Freiburg erhobene Klage.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Entscheidung des BSG grundsätzliche Bedeutung für den Fall des Zusammentreffens von Renten aus eigener Versicherung und Hinterbliebenenrenten nach dem FRG zukommt. Danach hätten Hinterbliebenenrenten anders als Renten aus eigener Versicherung die Funktion, ohne Rücksicht auf eigene Vorleistungen des Rentners Ersatz für den Unterhalt des Verstorbenen zu leisten. Sie seien daher auch hinsichtlich der Entgeltpunkte unabhängig von einer Rente aus eigener Versicherung zu berechnen und gegebenenfalls zu gewähren.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 5.6.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 22.8.2002 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 3.11.1998 zu verurteilen, der Klägerin eine große Witwenrente in gesetzlicher Höhe vom 26.5.1998 an zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an der im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren vertretenen Auffassung fest. Sie beruft sich weiter auf eine Urteil des Sozialgerichts (SG) Mannheim vom 27.11.2002 (S 9 RJ 2074/02), in dem ihre Rechtsauffassung bestätigt werde. Darin werde dargelegt, dass Sinn und Zweck des § 22 b FRG die Einbeziehung auch der Hinterbliebenenrenten gebiete, während der Wortlaut der Vorschrift entgegen der Auffassung des BSG dies nicht ausschließe.

Die die Hinterbliebenenrente der Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten (Versicherungsnummer ,1 Bd.) lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Verfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die genannte Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte S 9 RJ 2625/02 verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben. Sie ist auch im übrigen zulässig und als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft. Sie ist aber nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Gemäß § 44 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht...

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