Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Taschengeld und Proviant für eintägige Schulausflüge und mehrtägige Klassenfahrten. Regelbedarf. Vorgängerregelung des § 23 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB 2 aF
Leitsatz (amtlich)
Aus der Gesetzesbegründung zu § 28 Abs 2 SGB 2 in der seit dem 1.1.2011 gültigen Fassung ist zu entnehmen, dass das Taschengeld für eintägige Schulausflüge und mehrtägige Klassenfahrten aus der Regelleistung zu bestreiten ist.
Orientierungssatz
1. Die Übernahme von Taschengeld und Proviant durch den Arbeitsuchenden aus der Regelleistung entspricht auch der zur Vorgängerregelung des § 23 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB 2 aF in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung (vgl LSG Essen vom 4.2.2008 - L 20 B 8/08 AS ER = Breith 2008, 878). Die Anerkennung als Sonderbedarf liefe dem Pauschalierungsgrundsatz bei der Regelleistung zuwider
2. Die Schule darf die Höhe eines zu gewährenden Taschengeldes den Eltern nicht vorschreiben.
Tenor
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzes die Übernahme des Taschengeldes für eine mehrtägige Klassenfahrt.
Die am … 1994 geborene Antragstellerin steht zusammen mit ihrem Vater im laufenden Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Sie besucht die 11. Klasse der Gesamtschule N./T..
Mit am 12.11.2011 beim Antragsgegner eingegangenem Antrag beantragte der Vater der Antragstellerin die Übernahme der Kosten für eine mehrtägige Klassenfahrt der Antragstellerin. In der Folge legte er eine Bescheinigung der Schule vom 28.11.2011 vor. Danach belaufen sich die Kosten für die Fahrt vom 24.06. bis 28.06.2012 nach Südtirol auf insgesamt 300,00 Euro; davon entfallen auf die Fahrt mit Vollpension 250,00 Euro und auf Taschengeld 50,00 Euro.
Mit an den Vater der Antragstellerin gerichteten Bescheid vom 12.12.2012 bewilligte der Antragsgegner eine einmalige Beihilfe nach § 28 Abs. 2 Nr. 2 SGB 2 in Höhe von 250,00 Euro für die Fahrt mit Vollpension und führte weiter aus, das aufgeführte Taschengeld von 50,00 Euro sei bereits im Regelbedarf für die Antragstellerin enthalten.
Dagegen legte der Vater der Antragstellerin mit Schreiben vom 09.01.2012 Widerspruch ein und begründete diesen damit, dass gemäß § 28 Abs. 7 SGB II lediglich 10,00 Euro des Taschengeldes im Regelbedarf enthalten seien, so dass der Antragstellerin noch 40,00 Euro fehlten.
Mit Schreiben vom 10.01.2012 bestätigte der Antragsgegner den Eingang des Widerspruchs und wies darauf hin, dass der zitierte § 28 Abs. 7 SGB II offensichtlich nicht einschlägig sei; Zweck sei insoweit ein Anspruch auf gesellschaftliche Teilhabe z.B. für Mitgliedsbeiträge in Vereinen, wofür ein monatlicher Betrag von 10,00 Euro berücksichtigt werde. Taschengelder würden von § 28 Abs. 2 Nr. 2 SGB 2 nicht erfasst, dies ergebe sich aus der Gesetzesbegründung zu dieser Vorschrift.
Mit am 13.01.2012 eingegangenem Schriftsatz hat der Vater der Antragstellerin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.
Zur Begründung hat er ausgeführt, die veranstaltende Schule sehe einen Taschengeldbetrag in Höhe von 50,00 Euro zur Teilnahme am soziokulturellen Programm vor. Darüber hinaus sei es lebensfremd, dass das Taschengeld aus dem Regelsatz bestritten werden müsse. Dies würde dazu führen, dass ein Schüler fünf Monate lang keinerlei Ausgaben tätigen dürfe und auf jegliche Teilnahme an gesellschaftlicher Teilhabe verzichten müsse. Da die Klassenfahrt bereits im Juni 2012 stattfinde und der Antragsgegner erfahrungsgemäß Anträge über Jahre hinweg unbearbeitet liegen und gesetzte Fristen permanent fruchtlos verstreichen lasse, sei der Antrag geboten.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr für die Teilnahme an einer mehrtägigen Klassenfahrt ein Taschengeld von 50,00 Euro zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt schriftsätzlich,
dem Antrag abzulehnen.
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen im angegriffen Bescheid sowie auf die Gesetzesbegründung. Außerdem hält er angesichts der erst im Juni 2012 stattfindenden Klassenfahrt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes für nicht gegeben und kündigt kurzfristig den Erlass des Widerspruchsbescheides an.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
1.
Antragsteller ist nicht der Vater, sondern die minderjährige Antragstellerin selbst, gesetzlich vertreten durch ihren Vater. Das Rubrum war daher entsprechend abzuändern.
2.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Anordnungsgrund, das heißt die Eilbedürftigkeit der begehrten vorläufigen Regelung, und der Anordnungsanspruch, das heißt die materielle Rechtsposition, deren Durchse...