Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung der Krankenkasse zur Vergütung vom Pflegedienstleister erbrachter Leistungen der häuslichen Krankenpflege im Wege des einstweiligen Rechtschutzes
Orientierungssatz
1. Der Vergütungsanspruch des Erbringers von Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 132a SGB 5 ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass Leistungserbringer und Krankenkasse hinsichtlich eines Teilbereichs der zu erbringenden Leistungen noch keine Einzelvereinbarung abgeschlossen haben.
2. Das Fehlen einer Einzelvereinbarung für einen Teilbereich der Pflegeleistungen steht einem im Wege des einstweiligen erhobenen Vergütungsanspruch des Leistungsträgers nicht entgegen. Soweit die Krankenkasse eine fehlende Qualifikation des eingesetzten Pflegepersonals rügt, ist dies im Rahmen des Hauptsacheverfahrens aufzuklären und zu entscheiden.
3. Hat der Leistungserbringer Anspruch auf Vergütung seiner Leistungen dem Grunde nach und ist lediglich deren Höhe streitig, so erscheint es im einstweiligen Rechtschutz angemessen, dem Leistungserbringer die Höhe der Vergütung entsprechend den von der Krankenkasse im vorausgegangenen Jahr geleisteten Zahlungen zuzusprechen.
4. Für den erforderlichen Anordnungsgrund ist die Glaubhaftmachung des Leistungserbringers ausreichend, dass er auf die Zahlung der Krankenkasse angewiesen ist, um seine eigenen Verbindlichkeiten erfüllen zu können.
Tenor
1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, für die häusliche Krankenpflege ihrer Versicherten C., D., E., F. und G. im Zeitraum 1. Januar 2017 bis 30. April 2018 vorläufig eine Vergütung in Höhe von 366.451 EUR an die Antragstellerin zu zahlen.
2. Zu einer Auszahlung von mehr als 50 % des Zahlbetrages gem. Nr. 1 ist die Antragsgegnerin lediglich Zug um Zug gegen Sicherheitsleistung der Antragstellerin gem. § 108 Abs. 1 ZPO in Höhe von mindestens 50 % des Zahlbetrags gemäß Nr. 1 verpflichtet.
3. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin 60 %, die Antragsgegnerin 40 %.
4. Der Streitwert wird auf 306.863,05 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Antragstellerin auf vorläufige Vergütung von Pflegeleistungen für Versicherte der Antragsgegnerin.
Die Antragstellerin erbringt mit ihren Beschäftigten Leistungen der häuslichen Krankenpflege für verschiedene Krankenversicherungen, darunter auch für die Antragsgegnerin. Diesbezüglich ist sie dem Rahmenvertrag zwischen dem Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. und den Krankenversicherungen über häusliche Krankenpflege gemäß § 132a Abs. 2 SGB V vom 1. Mai 2006 (im Folgenden nur: Rahmenvertrag) in Hessen beigetreten. Eine darüber hinausgehende (ergänzende) Einzelvereinbarung zwischen den Beteiligten über die Erbringung intensivmedizinischer Krankenpflege ist trotz mehrerer Verhandlungsphasen bisher nicht zustande gekommen - und zwar auch nicht, anders als mit verschiedenen anderen Krankenversicherungen, in Form einer Zwischenvereinbarung.
Gleichwohl erbrachte die Antragstellerin intensivmedizinische Pflegeleistungen über in der Regel 24 Stunden täglich für sieben Versicherte der Beklagten, nämlich für C. C., F. F., J. J., D. D., H. H., G. G. und E. E. Für sämtliche dieser Versicherten lagen und liegen ärztliche Verordnungen für die häusliche Krankenpflege vor und die Antragstellerin hat keine Leistungen außerhalb des Zeitraums ärztlicher Verordnung erbracht. Bis auf die Herren C. und F. sind die fünf übrigen Versicherten zwischenzeitlich verstorben.
Diese Leistungen stellte die Antragstellerin der Antragsgegnerin monatsweise für die vorbezeichneten Versicherten in Rechnung und zwar mit folgenden versichertenbezogenen Gesamtsummen im Zeitraum 1. Januar 2017 bis 30. April 2018:
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C. |
231.402,31 EUR |
F. |
481.185,00 EUR |
J. |
22.017,47 EUR |
D. |
163.722,12 EUR |
H. |
172.388,65 EUR |
G. |
134.006,00 EUR |
E. |
23.517,38 EUR |
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1.228.238,93 EUR |
Diese Gesamtsumme beruht auf der Zugrundelegung eines Vergütungssatzes pro Stunde von 43,35 EUR und bezüglich der drei letzten Rechnungen betreffend den Versicherten G. von 43,55 EUR. Rechnerisch ergeben sich damit Leistungen der Antragstellerin im Umfang von ca. 28.326 Stunden. Wegen der Einzelsummen und den Abrechnungszeiträumen wird auf die Aufstellung in der Antragsschrift vom 18. Mai 2018 verwiesen.
Die Beträge wurden von der Antragstellerin unterschiedlich geltend gemacht. Einerseits stellte sie die Beträge unmittelbar der Antragstellerin in Rechnung und zwar wie folgt:
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C. (alle Rechnungen) |
231.402,31 EUR |
F. (Leistungen für April 2018) |
25.533,15 EUR |
D. (alle Rechnungen) |
163.722,12 EUR |
G. (Leistungen April bis Juni 2017) |
68.504,15 EUR |
E. (alle Rechnungen) |
23.517,38 EUR |
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512.679,11 EUR |
In der Erwartung, dass die Antragsgegnerin an ihrer Praxis einer Zahlungsverweigerung festhalten würde, stellte die Antragstellerin andererseits ihre Leistungen unmittelbar den Versicherten in Rechnung, damit diese auf dem Weg der Kostenerstattung eine Zahlungspflicht der Antragsgegnerin herbeiführen können - und zwar ...