Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer dreijährigen Weiterbildung aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Kostenerstattung nach rechtswidriger Leistungsablehnung. Ermessensreduzierung auf Null

 

Orientierungssatz

Das Ermessen des Versicherungsträgers bei der Auswahl von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben verengt sich auf die vom Rehabilitanden gewählte Maßnahme, wenn der Rehabilitand mit einer geeigneten Maßnahme begonnen hat, nachdem die Bewilligung dieser Maßnahme (aufgrund fehlerhafter Amtsermittlung) zu Unrecht abgelehnt worden ist (so auch LSG Stuttgart vom 22.7.2014 - L 11 R 2652/13 = juris RdNr 33).

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 29. Mai 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2018 verurteilt, der Klägerin für die am 22. August 2018 begonnene dreijährige Weiterbildung zur staatlich geprüften Atem-, Sprech- und Stimmlehrerin die Kosten in Höhe von 15489 € zu zahlen und ihr für diese Zeit ergänzende Leistungen in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Gestalt einer Weiterbildung zur Atem-, Sprech- und Stimmlehrerin.

Die 1971 geborene Klägerin stellte am 8. Februar 2017 bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Gestalt der bezeichneten Weiterbildung, nachdem sie im Zeitraum vom 28. Dezember 2016 bis zum 8. Februar 2017 vor allem wegen psychiatrischer Leiden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation seitens der Beklagten in Anspruch genommen hatte (vgl. den Reha-Entlassungsbericht der R. Klinik B. K. vom 13. Februar 2017, Blatt 25 ff. der Verwaltungsakte).

Daraufhin bewilligte die Beklagte der Klägerin durch Bescheid vom 29. März 2017 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach. Wegen der Einzelheiten des Bescheides wird verwiesen auf Blatt 33 der Verwaltungsakte.

Zur weiteren Klärung von Art und Umfang zu erbringender Leistungen führte die Beklagte zunächst ein Beratungsgespräch mit der Klägerin durch (vgl. wegen des Ergebnisses der Beratung Blatt 39 der Verwaltungsakte). Den gestellten Antrag lehnte sie sodann nach einer Kurz-Stellungnahme ihrer Beratungsärztin, wonach die neue Tätigkeit langfristig nicht leidensgerecht sei (Stellungnahme vom 19. Mai 2017, Blatt 41 der Verwaltungsakte), durch Bescheid vom 29. Mai 2017 ab. Wegen der Einzelheiten des Bescheides wird Bezug genommen auf Blatt 43 der Verwaltungsakte.

Den dagegen mit Schreiben vom 6. Juni 2017 eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin mit Schreiben vom 27. Juni 2017 unter Vorlage medizinischer und psychotherapeutischer Atteste sowie einer Aufnahmebescheinigung der Ausbildungsstätte. Im laufenden Widerspruchsverfahren absolvierte die Klägerin im Zeitraum vom 6. September bis zum 17. Oktober 2017 eine medizinisch-berufliche Rehabilitation im Zentrum für psychiatrische Rehabilitation in C-Stadt. Wegen des Verlaufes sowie des Ergebnisses der Rehabilitation wird Bezug genommen auf den Reha-Entlassungsbericht vom 9. November 2017 (vgl. Blatt 122 bis 137 der Verwaltungsakte).

In der Folge wies die Beklagte den eingelegten Widerspruch nach einer Kurz-Stellungnahme ihrer Beratungsärztin vom 9. Januar 2018 (Blatt 143 R der Verwaltungsakte) durch Widerspruchsbescheid vom 23. April 2018 zurück. Insbesondere seien Qualifizierungsmaßnahmen und Tätigkeiten im sozialen, therapeutischen sowie pflegerischen Bereich nicht leidensgerecht. Die Tätigkeit als Atem-, Sprech- und Stimmlehrerin sei gekennzeichnet durch hohe Verantwortung für Personen. Der tägliche Kontakt mit zum Beispiel kranken und verletzten Menschen erfordere eine hohe psychische Stabilität. Die bei der Klägerin vorliegende Gesundheitsstörung in Form einer rezidivierenden depressiven Störung stehe der dauerhaften Ausübung dieser Tätigkeit entgegen. Aus sozialmedizinischer Sicht seien die Aussichten für eine erfolgreiche Rehabilitation durch die begehrte Leistung nicht ausreichend, um einer Förderung zustimmen zu können. Zudem sollten Leistungen für die berufliche Weiterbildung in der Regel nur erbracht werden, wenn die Leistung bei ganztägigem Unterricht nicht länger als zwei Jahre dauere, es sei denn, dass das Teilhabeziel nur durch eine länger dauernde Leistung erreicht werden könne oder die Eingliederungsaussichten nur durch eine länger dauernde Leistung wesentlich verbessert würden. Es bestehe kein Grund zu der Annahme, dass das Teilhabeziel nur durch eine mehr als zweijährige Ausbildung erreichbar sei. Im Falle der Klägerin seien leidensgerechte Alternativen mit einer Dauer bis zu 24 Monaten vorhanden. Angesichts der eingeschränkten Umschulungsbereitschaft sei eine weitere Ermessensbetätigung im Zusammenhang mit weiteren beruflichen Alternativen und Vorschlägen nicht angezeigt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Widerspruchsbescheides wird Bezug genommen auf Blat...

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