Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des Versicherten auf Versorgung mit Heilmitteln i. S. eines langfristigen Heilmittelbedarfs. Krankengymnastik
Orientierungssatz
1. Beantragt der Versicherte die Versorgung mit Heilmitteln, u. a. die Bewilligung von Krankengymnastik, so hat die Krankenkasse nach § 32 Abs. 1a S. 2 SGB 5 zu bestimmen, wann ein langfristiger Heilmittelbedarf vorliegt und dabei festzulegen, ob und inwieweit ein Genehmigungsverfahren durchzuführen ist.
2. Vom Vorliegen eines langfristigen Heilmittelbedarfs ist auszugehen, wenn entweder eine in der Anlage 2 der Heilmittel-Richtlinie gelistete Diagnose vorliegt oder eine damit vergleichbare schwere dauerhafte funktionelle oder strukturelle Schädigung.
3. Nach § 8a Abs. 5 S. 4 HeilM-RL ist von einer Dauerhaftigkeit oder Langfristigkeit dann auszugehen, wenn ein Therapiebedarf mit Heilmitteln von mindestens einem Jahr medizinisch notwendig ist.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Versorgung mit Heilmitteln aufgrund langfristigen Behandlungsbedarfs. Die 1958 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert.
Unter dem 22.09.2011 verordnete der behandelnde Orthopäde Dr. B. Krankengymnastik außerhalb des Regelfalles wegen "Chron. Rez. HWS-Syndrom, chron. rez. LWS-Syndrom, rez. Lmboischialgie links, BSVF L4/5 mit segmentaler Bewegungsstörung". Die Verordnung sah fünf Einheiten vor und sollte zweimal pro Woche durchgeführt werden. Eine weitere Verordnung außerhalb des Regelfalles des behandelnden Orthopäden Dr. C. datierte vom 17.10.2011, eingegangen am 18.10.2011. Die Verordnungsmenge betrug sechs Einheiten Krankengymnastik für die Wirbelsäule; als Frequenz war ein- bis dreimal pro Woche angegeben. Auf den weiteren Inhalt der Verordnung wird Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 18.10.2011 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für die Verordnung vom 17.10.2011 ab. Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass der Vermerk "vorbehaltlich der Zustimmung durch die Krankenkasse und Vorliegen eines schriftlichen Kostenvoranschlages" rechtlich nicht zulässig und die Verordnung daher ungültig sei. Daraufhin legte die Klägerin am 21.10.2011 eine weitere Verordnung außerhalb des Regelfalles vom gleichen Tag über fünf Einheiten Krankengymnastik des Dr. B. vor.
Unter dem 27.06.2012 beantragte die Klägerin erneut die Genehmigung von Krankengymnastik außerhalb des Regelfalles. Dem Antrag war eine Bescheinigung des Allgemeinmediziners Dr. D. zur Langfristverordnung beigefügt. In der Bescheinigung war angegeben, dass sich die Notwendigkeit der Behandlung außerhalb des Regelfalles als Langfristverordnung aus einer störungsbildabhängigen und weiterführenden Diagnostik des Krankenbildes ergeben habe. Er bestätigte, dass das Krankheitsbild eine kontinuierliche Behandlung von mindestens einem Jahr erfordere (Bl. 18 der Verwaltungsakte). Beigefügt war zudem ein Bericht des Physiotherapeuten E. vom 10.05.2012. Er gab zum Stand der Therapie an:
"leichte Lockerung d. Nacken- und Rückenmuskulatur, Dehnung d. Beinmuskulatur und soweit möglich Kräftigungs- und Stabilisationsübg./Traktion d. HWS u. LWS"
Er teilte zudem mit, dass die Klägerin weiterhin sehr schmerzempfindlich sei und die Therapie noch keine langanhaltende Verbesserung bringe. Die Verordnungen sollten daher fortgesetzt werden, um den Behandlungsansatz weiterzuführen (Bl. 16 der Verwaltungsakte).
Am 03.07.2012 nahm der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) nach Aktenlage Stellung. Die Beurteilung des MDK bezog sich ausweislich des Vordrucks ausschließlich auf eine Heilmittelverordnung außerhalb des Regelfalles. In der formularmäßigen Stellungnahme war angegeben, dass eigenverantwortliche Maßnahmen ausreichen würden (Bl. 28 der Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 03.07.2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme der Physiotherapie ab (Bl. 29 der Verwaltungsakte). In der Begründung der Entscheidung hieß es:
"Nach der Stellungnahme des Medizinischen Dienstes ist bei der vorhandenen Indikation die Verordnungsmenge entsprechend des Heilmittelkataloges angemessen und ausreichend, und es ist davon auszugehen, dass das angestrebte Behandlungsziel durch eigenverantwortliche Maßnahmen erreicht werden kann (z. B. Eigenübungsprogramm)."
Mit Schriftsatz vom 30.07.2012 legte die Klägerin Widerspruch gegen die Ablehnung ein und bezog sich zur Begründung auf verschiedene, dem Widerspruchsschreiben beigefügte ärztliche Unterlagen.
Die Beklagte erbat daraufhin eine weitere Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), der den Gutachtenauftrag bei der sozialmedizinischen Beurteilung am 17.09.2012 folgendermaßen formulierte:
"Hier: KG 2x pro Woche, verordnet wegen Wirbelsäulenerkrankung mit prognostisch länger dauerndem Behandlungsbedarf, Schmerzen durch Fehl- oder Überlastung diskoligamentärer Strukturen im Bereich LWS/HWS. Zur Funktionsverbesserung/Verringerung von Fehl- und Überbelas...