Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB 10. keine Aufrechnung nach § 51 SGB 1. öffentlich-rechtliche Willenserklärung. kein Verstoß gegen effektiven Rechtsschutz. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB 10 ist keine Geldleistung iS des § 51 SGB 1.
2. Eine Aufrechnung muss durch den Leistungsträger jedenfalls dann durch öffentlich-rechtliche Erklärung vorgenommen werden, wenn § 51 SGB 1 nicht anwendbar ist. Eines Verwaltungsaktes bedarf es in diesen Fällen nicht.
3. Eine Aufrechnung gegen einen Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB 10 verstößt nicht gegen das Gebot des effektiven Rechtsschutzes. Eventuelle Probleme hinsichtlich der erforderlichen weitgehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten sind im Rahmen der Prozesskostenhilfe oder der Beratungshilfe zu lösen (Anschluss an BFH vom 30.7.1996 - VII B 7/96 = BFH/NV 1997, 93).
Orientierungssatz
Az beim LSG Darmstadt: L 9 AS 601/10
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Wege der Leistungsklage die Auszahlung vom 309,40 € aus einem Kostenerstattungsanspruch gegen die Beklagte.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25. Februar 2009, der vom Kläger nicht mit Widerspruch angegriffen wurde, ordnete die Beklagte die Erstattung von 760,69 € durch den Kläger an.
Mit einem Abhilfebescheid vom 20. Mai 2010 teilte die Beklagte dem Kläger in einer anderen Sache mit, dass ein Widerspruch erfolgreich war. Dabei erklärte sich die Beklagte bereit, die Kosten dem Grunde nach zu übernehmen.
Mit Schreiben vom 25. Februar 2010 machte der Klägervertreter bei der Beklagten Kosten des Klägers in Höhe von insgesamt 309,40 € geltend.
Mit an den Kläger adressierten Schreiben vom 25. Juni 2010 und mit Anschreiben an den Klägervertreter versandten Schreiben teilte die Beklagte mit, dass die Kosten von 309,40 € grundsätzlich erstattungsfähig seien, dieser Anspruch aber mit der Forderung aus dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25. Februar 2009 aufgerechnet werde.
Nachdem die erneute Aufforderung des Klägervertreters, die geforderte Summe auszuzahlen, erfolglos blieb, erhob der Kläger die vorliegende Klage.
Der Kläger ist der Auffassung, dass die vorgenommene Aufrechnung dazu führe, dass Hilfebedürftige keinen Rechtsschutz mehr erlangen könnten. Die Aufrechnung verstoße gegen § 394 BGB und § 54 SGB I.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu Händen seiner Bevollmächtigten auf das Konto der Bevollmächtigten eine Zahlung von 309,40 € vorzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, dass die Aufrechnung zulässig sei. § 54 SGB I sei nicht anwendbar.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Hefter der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist als isolierte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig. Der Kläger verfolgt seinen Anspruch auf Zahlung von 309,40 € aus dem Schreiben vom 25. Juni 2010.
Die Klage ist aber unbegründet. Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung von 309,40 € ist durch Aufrechnung erloschen, § 398 BGB.
Die Voraussetzungen einer Aufrechnung nach den §§ 387 ff BGB liegen vor.
Es handelt sich um gegenseitige Forderungen. Die Beklagte ist Schuldnerin der Hauptforderung (dem Anspruch auf Kostenerstattung) und sie ist Gläubigerin der Erstattungsforderung aus dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25. Februar 2009. § 9 S. 2 Beratungshilfegesetz, wonach der Anspruch auf die Vergütung des Rechtsanwalts auf diesen übergeht, wenn der Gegner verpflichtet ist, die Kosten der Wahrnehmung seiner Rechte zu ersetzen, greift nicht ein. Beratungshilfe hat der Kläger zwar beantragt, bisher aber nicht erhalten. Eine Abtretung ist ebenfalls nicht erfolgt.
Die Forderungen sind als Ansprüche auf Geld gleichartig.
Die Forderung der Beklagten aus dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25. Februar 2009 ist wirksam und fällig. Der Bescheid ist bestandskräftig geworden. Die Hauptforderung, also die Forderung des Klägers aus § 63 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X), ist auch erfüllbar.
Die Aufrechnung hat die Beklagte mit Schreiben vom 25. Juni 2010 erklärt. Diese Erklärung ist dem Kläger auch zugegangen, da der Klägervertreter insoweit zum Empfang von Willenserklärungen berechtigt war. Die Standardvollmacht des Klägervertreters umfasst auch die Entgegennahme von Willenserklärungen.
Der Aufrechnung steht auch nicht § 43 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II) entgegen. Nach dieser Vorschrift können Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bis zu einem Betrag in Höhe von 30 % der für den Hilfebedürftigen maßgebenden Regelleistung mit Ansprüchen der Träger von Leistungen nach diesem Buch aufgerechnet werden, wenn es sich um Ansprüche auf Erstattung oder auf Schadenersatz hande...