Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Anspruchsübergang nach § 93 SGB 12. Überleitungsanzeige. Formerfordernisse
Leitsatz (amtlich)
Formell setzt § 93 SGB 12 voraus, dass der zuständige Sozialhilfeträger die Leistung erbringt. Bei der Überleitungsanzeige handelt es sich um einen Verwaltungsakt. Dementsprechend gelten die Formerfordernisse der §§ 31 ff SGB 10, insbesondere Anhörung. Hiernach muss es sich um eine schriftliche Überleitungsanzeige (Schriftform) handeln.
Tenor
1. Der Bescheid vom 24.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2013 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen vom Beklagten geltend gemachten Aufwendungsersatz wegen ungedeckter Heimpflegekosten für Frau C.
Der Vater des Klägers, AB. (geb. 1939), und Frau C. führten - worüber die Beteiligten nicht streiten - seit 1989 eine Beziehung. 1995 zog Frau C. zum Vater des Klägers in die A-Straße in A-Stadt (Anmeldung einer Hauptwohnung vom 10.09.1995). Seit 2008 war Frau C. aufgrund erlittener Schlaganfälle pflegebedürftig. Der Vater des Klägers pflegte Frau C. im gemeinsamen Haushalt. Im Oktober 2011 erlitt der Vater des Klägers ebenfalls einen Schlaganfall. Am 20.10.2011 erfolgte die Einlieferung in die Universitätsklinik D-Stadt. Unmittelbar nach der dort abgeschlossenen Behandlung wurde der Vater des Klägers im Seniorenzentrum E-Stadt untergebracht. Bis zu seinem Tode 2013 lebte er dort. Frau C. lebte ab 21.12.2011 ebenfalls in einem Altenheim in F-Stadt im Hinblick auf ihre Pflegebedürftigkeit.
Mit Bescheid vom 24.10.2012 gewährte der Beklagte Frau C. rückwirkend ab 01.05.2012 Sozialleistungen.
Mit weiterem Bescheid vom 24.10.2012 machte der Beklagte Aufwendungsersatz in Höhe der monatlich ungedeckten Sozialhilfeaufwendungen für Frau C. geltend.
Hiergegen legte der Kläger mit Schriftsatz vom 02.11.2012 Widerspruch ein: Im Dezember 2011 habe keine Bedarfsgemeinschaft mehr existiert. Eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft sei wegen der Demenz beider Beteiligten nicht möglich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.04.2013 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Auf den Inhalt der Entscheidung wird Bezug genommen.
Dagegen richtet sich die Klage vom 24.05.2013.
Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, die Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft sei am 20.10.2011 beendet gewesen. Beide Beteiligten könnten objektiv keine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft mehr wegen der tatsächlichen Umstände bilden. Ebenfalls würden innere Bindungen fehlen. Der Vater des Klägers habe im Heim in E-Stadt eine neue Freundin gefunden. Frau C. habe gegenüber ihren eigenen vier Kindern Unterhaltsansprüche. Im Übrigen sei der Miteigentumsanteil am Haus in A-Stadt nicht verwertbar. Dies würde eine besondere Härte nach § 90 SGB XII darstellen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 24.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2013 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und bezieht sich zur Begründung seines Antrags im Wesentlichen auf seine Schriftsätze vom 03.07. und 20.09.2013. Ergänzend trägt er vor, mit der Heimunterbringung sei keine zwangsläufige Trennung verbunden. Es seien keine Trennungsabsichten ersichtlich gewesen. Die Trennungsabsicht sei durch den Kläger fingiert worden. Die getrennte Heimunterbringung sei nur auf Betreiben der Kinder erfolgt. Maßgebender Zeitpunkt sei die Aufnahme vom Vater des Klägers in die stationäre Einrichtung am 20.10.2011. Zu diesem Zeitpunkt habe eine eheähnliche Gemeinschaft noch bestanden.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin G. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen. Darüber hinaus hat das Gericht die Verwaltungsakte des Beklagten beigezogen. Wegen des weiteren Sachvortrags der Beteiligten und des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig (§§ 87, 90, 92 SGG).
Sie ist auch begründet.
Der Bescheid vom 24.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2013 erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 54 Abs. 2 SGG.
Der - von dem Beklagten gegenüber dem Kläger geltend gemachte - Aufwendungsersatzanspruch nach § 19 Abs. 5 SGB XII ist ein öffentlich-rechtlicher Anspruch, der durch Leistungsbescheid geltend zu machen ist. Der Beklagte konnte über die streitige Forderung deshalb grundsätzlich durch Verwaltungsakt (§ 31 Satz 1 SGB X) entscheiden. Die sogenannte Verwaltungsaktsbefugnis ergibt sich insoweit aus dem Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen dem Beklagten als Sozialhilfeträger und dem Kläger.
Ein Rückgriff des Beklagten auf den Kläger wegen der Ausgaben für Frau C. scheitert im vorliegenden Fall jedoch an § 93 SGB XII.