Entscheidungsstichwort (Thema)
Versagung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Minderung der Erwerbsfähigkeit bei einer Straftat. Verkehrsunfall. Fahren ohne Fahrerlaubnis
Leitsatz (amtlich)
Beruht die Erwerbsminderung auf einem Verkehrsunfall, der ua darauf zurückzuführen ist, dass der Versicherte vorsätzlich ohne Fahrerlaubnis gefahren ist, kann ein Rentenantrag abgelehnt werden.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1985 geborene Kläger, der von Beruf Koch ist, stellte am 12.09.2011 einen entsprechenden Antrag bei der Beklagten. Er begründete den Antrag mit den Folgen eines am 11.03.2011 erlittenen Verkehrsunfalls, bei dem er sich mehrere Frakturen und eine Armnervenschädigung links zuzog. Zu dem Unfall war es gekommen, weil der Kläger gegen 22:30 Uhr auf der Bundesautobahn 5 mit seinem PKW in einen Erdhügel fuhr. Aufgrund einer später festgestellten Blutalkoholkonzentration von 1,39 Promille war er fahruntüchtig. Er besaß auch keine Fahrerlaubnis, da diese ihm durch rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Darmstadt vom 30.12.2010 wegen einer Trunkenheitsfahrt entzogen worden war. Der Kläger wurde deswegen durch das Amtsgericht Groß-Gerau mit rechtskräftigem Urteil vom 08.09.2011 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten auf Bewährung verurteilt.
Mit Bescheid vom 23.12.2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag unter Bezugnahme auf die Vorschrift des § 104 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) ab. Sie begründete ihre Entscheidung damit, der Kläger sei zwar erwerbsgemindert und erfülle auch die erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei aber ausschließlich auf die Folgen des Verkehrsunfalls vom 11.03.2011 zurückzuführen. Damit komme § 104 SGB VI zur Anwendung. Der Tatbestand eines vorsätzlichen Vergehens sei durch das strafgerichtliche Urteil vom 08.09.2011 erfüllt. Der Kläger habe sich am 11.03.2011 entschlossen gehabt, mit einem PKW am Straßenverkehr teilzunehmen, ohne im Besitz der dafür erforderlichen Fahrerlaubnis zu sein und sei wegen dieses vorsätzlich begangenen Vergehens in Tateinheit mit fahrlässiger Trunkenheit bestraft worden.
Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.04.2012 zurück.
In dem Widerspruchsbescheid wird ausgeführt, nach den ärztlichen Feststellungen sei die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers ausschließlich auf die Folgen des am 11.03.2011 erlittenen Verkehrsunfalles zurückzuführen. Der Kläger sei daher wegen eines vorsätzlich begangenen Delikts verurteilt worden. Die Versagung einer Leistung sowie der Umfang der Leistungsverweigerung liege im pflichtgemäßen Ermessen des Rentenversicherungsträgers. Dieser habe die besonderen Umstände des Einzelfalles in die erforderliche Abwägung einzubeziehen. Das Interesse des Klägers an der Auszahlung einer Rente sei gegen das Interesse der Solidargemeinschaft aller Versicherten abzuwägen. Hier sei zu berücksichtigen, dass das Verhalten des Klägers eine grobe Selbstgefährdung darstelle. Der Kläger habe sich eigenmächtig über anerkannte Grundprinzipien der Versichertengemeinschaft hinweggesetzt, indem er in alkoholisiertem Zustand ein Kraftfahrzeug geführt habe, ohne die erforderliche Erlaubnis zu besitzen. Er habe das Interesse der Versichertengemeinschaft verletzt, indem er gröblich gegen Vorschriften verstoßen habe, die der Gefahrenabwehr dienten. Es liege auf der Hand, dass sein Verhalten zu einer schweren gesundheitlichen Beeinträchtigung habe führen können. Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen gebühre dem Interesse der Versichertengemeinschaft der Vorrang.
Der Kläger hat am 16.04.2012 Klage erhoben.
Er ist der Auffassung, die Entscheidung der Beklagten berücksichtige nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. § 104 SGB VI sei als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Bei der Ermessensentscheidung seien alle Umstände des Einzelfalles zu beachten. Dazu gehörten auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass er bis zu seinem Unfall als Koch gearbeitet habe und seitdem nur noch Sozialleistungen beziehe. Die Versagung der Erwerbsminderungsrente habe daher für ihn erhebliche wirtschaftliche Folgen. Dies gelte umso mehr, als dass er nach neuesten ärztlichen Aussagen noch weitere zwei Jahre in seiner Erwerbsfähigkeit erheblich gemindert sei.
Im Übrigen könne Grundlage der Ermessensentscheidung der Beklagten allein der Verstoß gegen § 21 Straßenverkehrsgesetz (StVG) (Fahren ohne Fahrerlaubnis) sein, da nur dieser vorsätzlich begangen worden sei. Er habe bis zum 11.03.2011 jahrelang einen Führerschein gehabt und besitze die erforderlichen theoretischen und praktischen Kenntnisse. Das Fahren ohne Fahrerlaubnis sei dah...