Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Vollstreckungsabwehrklage zur Abwendung einer Zwangsvollstreckung aus einem Kostentitel gegen eine Behörde. Zulässigkeit der Aufrechnung eines Rückerstattungsanspruchs aus überzahlter Grundsicherungsleistung mit Anspruch aus einer Kostenfestsetzung
Orientierungssatz
Gegen die Geltendmachung von Kostenerstattungsansprüchen aus einem im Rahmen eines sozialgerichtlichen Verfahrens ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss durch einen Empfänger von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende kann der Grundsicherungsträger mit Ansprüchen aus Rückforderung von Grundsicherungsleistungen aufrechnen. Dabei kommen in analoger Anwendung die im Zivilrecht gesetzlich verankerten Regelungen zur Aufrechnung zur Anwendung.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 28. Oktober 2016 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten für beide Rechtszüge. Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 71,58 Euro festgesetzt. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage über die Vollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Gotha.
Ausgangpunkt war ein Bescheid des Klägers (im Ausgangsverfahren der Beklagte) vom 19. August 2014, mit dem er die Leistungen nach dem SGB II für Februar bis April 2013 endgültig festsetzte und Erstattung über 163,43 Euro forderte. Die Beklagte (vormals die Klägerin) legte dagegen Widerspruch ein und erhob am 7. Januar 2015 Untätigkeitsklage zum SG Gotha - S 26 AS 51/15. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2015 wies der Kläger den Widerspruch zurück. Die Beklagte erklärte den Rechtstreit daraufhin für erledigt und der Kläger erklärte unter dem 27. Mai 2015 ein Kostenanerkenntnis dem Grunde nach.
Der Bescheid vom 19. August 2014 wurde bestandskräftig.
In der Folge beantragte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten Kostenfestsetzung und reichte eine Kostennote über 71,40 Euro bei Gericht ein. Der Kläger teilte mit Schreiben vom 19. Juni 2015 Einverständnis mit der Kostennote mit und erklärte am 3. Juli 2015 die Aufrechnung mit der Erstattungsforderung aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 19. April 2014. Am 27. Januar 2016 beantragte die Beklagte über den Kostenfestsetzungsantrag nebst Zinsen von 5 v. H. über dem Basissatz seit Antragstellung zu entscheiden sowie eine vollstreckbare Ausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses nebst Zustellungsvermerk zum Zwecke der Zwangsvollstreckung zu erteilen. In der Folge verwies der Prozessbevollmächtigte auf ein Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. Mai 2015 - L 6 AS 288/13. Hiernach sei eine Aufrechnung in der vorliegenden Konstellation nicht möglich. Es stünden sich keine Zahlungsansprüche gegenüber. Bei ihrem Anspruch handele es sich um einen Befreiungsanspruch von dem Vergütungsanspruch des Prozessbevollmächtigten. Die von § 387 BGB geforderte Gleichartigkeit der Forderungen fehle. Mit Beschluss vom 20. Mai 2016 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die vom Kläger zu erstattenden Kosten der Beklagten für das Klageverfahren auf 71,40 Euro fest. Die zu erstattenden Kosten für das Klageverfahren seien unstreitig und i. H. v. 71,40 Euro zu erstatten. Erinnerung wurde nicht eingelegt. Der Beschluss wurde den Beteiligten am 25. Mai 2016 zugestellt. Daraufhin erklärte der Kläger mit Schriftsatz vom gleichen Tag nochmals die Aufrechnung. Gleichartigkeit sei nunmehr gegeben. Kostenfestsetzungsbeschlüsse würden nach den Vorschriften des 2. Abschnitts des Achten Buches der ZPO vollstreckt (Vollstreckung wegen Geldforderungen). Am 5. Juli 2016 beantragte die Beklagte nochmals eine vollstreckbare Ausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses mit Vollstreckungsklausel und Zustellungsvermerk zu erteilen. Nach Erhalt forderte die Beklagte den Kläger bis zum 2. August 2016 zur Zahlung auf.
Daraufhin hat der Kläger unter dem 26. Juli 2016 Vollstreckungsabwehrklage erhoben mit dem Antrag, die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. Mai 2016 für unzulässig zu erklären und erklärte abermals die Aufrechnung. Der Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 28. Oktober 2016 stattgegeben. Die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss sei nicht zulässig. Der Kläger sei mit seinen Einwendungen infolge des (rechtskräftigen) Kostenfestsetzungsbeschlusses nicht präkludiert. Es gehöre nicht zur Kompetenz der Urkundsbeamtin zu prüfen, ob vorliegend eine von der Beklagten bestrittene, wirksame Aufrechnungserklärung vorliege. Die materielle Rechtslage sei auch nicht einfach zu beantworten. Ob die Aufrechnungserklärung wegen fehlender Gleichartigkeit, weil es sich bei der Forderung der Beklagten um einen Freistellungsanspruch im Sinne des § 257 BGB handele, ins Leere ginge, könne offenstehen. Jedenfalls könne der Kläger sich mit Er-folg auf ein Zurückbehaltungsrecht analog § 273 BGB berufen. Beide Forderungen seien aus demselben rechtlichen Ve...