Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Selbstablehnung eines ehrenamtlichen Richters wegen Besorgnis der Befangenheit. Mitglied im Betriebsausschuss eines Jobcenters

 

Leitsatz (amtlich)

Selbstablehnung einer ehrenamtlichen Richterin, die Mitglied des Betriebsausschusses eines Eigenbetriebes Jobcenter ist, in Verfahren gegen dieses Jobcenter.

 

Tenor

Die Selbstablehnung der ehrenamtlichen Richterin K. B. ist begründet.

 

Gründe

I.

Die der 12. Kammer des Sozialgerichts Halle zugewiesene ehrenamtliche Richterin K. B. ist Mitglied des Betriebsausschusses des Jobcenters B., bei dem es sich um einen Eigenbetrieb des Kreises handelt. Zu der Sitzung der 12. Kammer des Sozialgerichts Halle am 20.03.2015 wurde die ehrenamtliche Richterin K. B. nach den Regelungen des Geschäftsverteilungsplanes des Sozialgerichts Halle hinzugezogen. In sämtlichen Verfahren dieses Sitzungstages ist als Beklagter das Jobcenter B. aufgeführt.

Mit dem am 16.02.2015 beim Sozialgericht Halle eingegangenen Schreiben der ehrenamtlichen Richterin teilt sie mit, dass sie sich befangenen fühle, da sie gewähltes Mitglied des Betriebsausschusses sei.

Den Bevollmächtigten des zu dem Termin am 20.03.2015 geladenen Klägers sowie dem Beklagten ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu der Selbstablehnung gegeben worden. Sie haben hiervon keinen Gebrauch gemacht.

II.

Die Selbstablehnung der ehrenamtlichen Richterin K. B. ist zulässig und begründet.

Über das Ablehnungsgesuch entscheidet nach § 60 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Fassung des Artikels 8 Nr. 4 a und b des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2011 (BGBl. I 2011, 3057), in Kraft ab 01.01.2012, i.V.m. § 45 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) das Gericht, dem die Abgelehnte angehört und damit das Sozialgericht Halle.

Gemäß § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung gegen eine Richterin wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen ihre Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Nach § 48 ZPO kann eine Richterin unter denselben Voraussetzungen von einem Verhältnis Anzeige machen, das ihre Ablehnung rechtfertigen könnte. Maßgebend ist nicht, ob die abgelehnte Richterin wirklich befangen ist oder sie sich selbst für befangen hält, sondern allein, ob von dem Standpunkt der Beteiligten aus bei vernünftiger Betrachtung genügend objektive Gründe vorliegen, die die Befürchtung wecken können, die Richterin stehe dem Rechtsstreit nicht mehr unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (Beschluss des LSG Sachsen-Anhalt vom 25.08.2010, L 6 SF 94/10 AB, zitiert nach Juris).

Aus den von der ehrenamtlichen Richterin mitgeteilten Umständen lassen sich in diesem Sinne triftige Anhaltspunkte für die Besorgnis der Befangenheit ableiten, da der Betriebsausschuss des Jobcenters nach § 9 der Betriebssatzung für die besondere Einrichtung Eigenbetrieb "Jobcenter B." vom 16.05.2011 unter anderem die Geschäftsführung des Eigenbetriebes überwacht und ihm verschiedene Zuständigkeiten zur abschließenden Entscheidung übertragen sind. Als Mitglied des Betriebsausschusses steht die ehrenamtliche Richterin bei vernünftiger Betrachtung daher für die Beteiligten, sowohl für den Kläger als auch für den Beklagten, in einem Näheverhältnis zu dem Beklagten. Dieses Näheverhältnis kann durchaus die Befürchtung wecken, dass die ehrenamtliche Richterin nicht mehr unvoreingenommen dem Rechtsstreit gegenüber steht. Es liegen daher objektive Gründe für die Befürchtung einer fehlenden Unvoreingenommenheit vor, so dass die Selbstablehnung begründet ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 172 Abs. 2 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI7691256

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?