Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Anspruch auf Mamma-Augmentationsplastik bei Fehlen einer weiblichen Brust aufgrund genetischer Erkrankung (hier: Camurati-Engelmann-Syndrom). Gleichbehandlungsgebot
Leitsatz (amtlich)
1. Versicherte, die aufgrund einer genetischen Erkrankung über keine Anlage einer weiblichen Brust verfügen, haben Anspruch auf eine MAP zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung.
2. Es besteht ein Anspruch aus § 27 SGB 5 wie bei Aufbauplastiken nach einer Mastektomie, da eine Brust zur weiblichen Körpersilhouette gehört, ohne dass auf die Rechtsprechung zur Entstellung zurückgegriffen werden muss.
Nachgehend
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 24.09.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 22.01.2013 verurteilt der Klägerin eine Mammaaugmentationsplastik als Sachleistung zu gewähren.
Der Beklagte erstattet der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten.
Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Versorgung der Klägerin mit einer beidseitigen Mamma-Augmentationsplastik (MAP).
Die 1984 geborene, bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin leidet an dem Camurati-Engelmann-Syndrom. Dabei handelt es sich um eine seltene, autosomal dominant vererbte Erkrankung, die im Wesentlichen mit einer Knochendysplasie einhergeht. Die Klägerin beantragte am 30.7.2012 bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Brustvergrößerung. In dem Antrag führt sie aus, sie sei nunmehr 27 Jahre alt, 1,60 m groß und wiege 55 kg. Da sich aufgrund der Erkrankung keine Brust entwickelt habe -auch nicht in der Pubertät- habe sie sich jetzt entschieden, sich operieren lassen zu wollen. Beigefügt war eine Stellungnahme des Universitätsklinikums J., in der als Ergebnis ausgeführt wird, es liege eine Mammahypoplasie beidseits vor, lediglich die Mamillen seien wie bei Adulten ausgebildet. Als weiteres Vorgehen wird eine Augmentation beidseits als medizinisch indiziert angesehen. Aufgrund der Erkrankung der Patientin mit Knochen- und Muskelstoffwechselstörungen werde von einem Brustaufbau mittels körpereigenem Gewebe abgeraten, es solle eine Brustbildung mittels Implantaten vorgenommen werden. Weiter war beigefügt eine Stellungnahme des behandelnden Internisten Dr. med. A., der die Durchführung der Augmentations-Plastik ebenfalls unterstützt und zwei Fotos der Brüste der Klägerin im unbekleideten Zustand.
Die Beklagte schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein, der aufgrund eines Gutachtens nach Aktenlage vom 13.9.2012 darauf hinwies, dass den Befunden eine deutliche Mammahypoplasie beidseits zu entnehmen sei, die jedoch dem Normbereich weiblicher Brustformen- und Größen zuzuordnen sei. Krankhafte Befunde seien nicht feststellbar. Der Wunsch der Versicherten nach einer Mammaaugmentation beiseite trage rein kosmetischen Charakter. Echte Alternativen zu der begehrten Operation stünden zwar nicht zur Verfügung, bei Bedarf könne die Verwendung von Einlagen in Miederwaren und Badebekleidung empfohlen werden.
Die Beklagte lehnte auf dieser Grundlage mit Bescheid vom 24.09.2012 die Versorgung der Klägerin mit einer MAP ab.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, in dem sie darauf verwies, bei ihr bestehe eine Brustfehlbildung aufgrund der Erkrankung am Camurati-Engelmann-Syndrom und der Brustaufbau habe nicht lediglich einen rein kosmetischen Charakter, sondern diene einer Brustbildung überhaupt.
Im Rahmen der Widerspruchsbegutachtung durch den MDK verwies dieser darauf, dass das Krankheitsbild des Camurati-Engelmann-Syndroms keine Mammahypoplasie bzw. Mammaaplasie als erkrankungsspezifisches Symptom beinhalte. Es verbleibe daher nach Auffassung des MDK dabei, dass die angestrebte Korrektur des äußeren Erscheinungsbildes im Bereich der Mammae rein kosmetischen Charakter trage.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24.1.2013 zurück. Zur Begründung führt sie aus, ein Anspruch auf Krankenbehandlung gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB V sei nur gegeben, wenn eine Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung vorliege. Dies sei ein regelwidriger Körper- und Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedürfe oder zugleich oder ausschließlich Arbeitsunfähigkeit zur Folge habe. Als regelwidrig sei dabei ein Zustand anzusehen, der von der Norm, vom Leitbild des gesunden Menschen abweiche. Entscheidungskriterium müsse sein, ob eine Krankheit im Rechtssinne vorliege oder eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde. Dabei sei zu berücksichtigen, dass gesetzliche Krankenkassen nicht verpflichtet seien, zur Behebung einer psychischen Störung die Kosten für den operativen Eingriff in einem im Normalbereich liegenden Körperzustand zu tragen.
Auch sei in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass eine kleine Brust keine Krankheit im Sinne der Krankenversicherung darstelle...