Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. selbstständige Tätigkeit in Form eines Hobbys bzw Ausübung eines Gewerbebetriebes. Ballonfahren. Gewerbeuntersagung und Fehlen einer Betriebsgenehmigung. Einkommensberechnung nach § 3 AlgIIV 2008. Absetzung von Betriebsausgaben. Nachranggrundsatz. notwendige Ausgaben iS des § 11b Abs 1 S 1 Nr 5 SGB 2. vernünftige Wirtschaftsführung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Selbstständige Tätigkeit iS des § 3 Abs 1 ALG II-V (juris: AlgIIV 2008) kann auch eine Freizeitbeschäftigung (zB Hobby) sein.

2. Bei der Ermittlung des auf den Grundsicherungsbedarf anrechenbaren Einkommens sind von den mit der Ausübung eines Hobbys erzielten Einnahmen die damit im Zusammenhang stehenden "Betriebsausgaben" nicht abzusetzen, denn bei der Bemessung des Regelsatzes sind bereits Aufwendungen für Freizeit, Unterhaltung und Kultur berücksichtigt (§§ 5 Abs 1, 6 Abs 1 RBEG). Eine darüber hinausgehende Berücksichtigung von Aufwendungen für Freizeitgestaltung, einschließlich der Ausübung eines Hobbys, findet im Rahmen der Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums nicht statt.

3. Betriebsausgaben, die im Zusammenhang mit einem Gewerbe stehen, können nicht nach § 3 Abs 3 S 1 ALG II-V abgesetzt werden, wenn der Person die Ausübung eines Gewerbes nach § 35 GewO untersagt ist oder die nach den gewerberechtlichen Gesetzen notwendige gewerberechtliche Erlaubnis fehlt. Diese Betriebsausgaben sind vermeidbar, weil die gewerbliche Tätigkeit nicht ausgeübt werden darf und deshalb einzustellen ist.

4. Die Berücksichtigung von Einnahmen aus einer Freizeitbeschäftigung oder einer rechtlich nicht erlaubten Tätigkeit entspricht dem Nachrangigkeitsgrundsatz (§ 2 Abs 2 SGB II). Solange solche Einnahmen zufließen, sind sie zu berücksichtigen. Allerdings lässt sich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine Verpflichtung zur Ausübung oder Fortsetzung einer Freizeitbeschäftigung oder einer gewerberechtlich nicht erlaubten Tätigkeit herleiten, weder aus den Regelungen des SGB II, noch aus Sinn und Zweck der steuerfinanzierten Grundsicherung für Arbeitsuchende.

5. Mit der Erzielung des Einkommens verbundene Ausgaben sind dann notwendig iS des § 11b Abs 1 S 1 Nr 5 SGB II, wenn Ausgaben und Einnahmen einander bedingen und sich die Ausgaben sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach im Rahmen vernünftiger Wirtschaftsführung halten. Ausgaben für eine Freizeitbeschäftigung, die über die im Regelsatz berücksichtigten Beträge hinausgehen, bewegen sich der Höhe nach nicht im Rahmen vernünftiger Wirtschaftsführung. Im Falle gewerberechtlich nicht erlaubter selbstständiger Tätigkeiten halten sich die Ausgaben bereits dem Grunde nach nicht im Rahmen vernünftiger Wirtschaftsführung.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen, einschließlich des Antrages auf Scheckzahlung.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Ansprüche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung für den Bewilligungszeitraum vom 1. März 2013 bis 31. August 2013 nach endgültiger Leistungsfestsetzung umstritten.

Der am ... 1958 geborene Kläger zu 1) bezieht seit November 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Schreiben vom 14. Februar 2011 teilte der Beklagte dem Kläger zu 1) mit, seine Heizkosten überstiegen den angemessenen Wert von 69,00 EUR um 159,43 EUR, unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft iHv. 161,16 EUR und der Angemessenheitsgrenze von 268,00 EUR überstiegen die Gesamtkosten von Unterkunft und Heizung die Angemessenheitsgrenze um 52,59 EUR.

Laut Meldebescheinigung zog bei dem Kläger am ... 2013 dessen am ... 2001 geborener Sohn, der Kläger zu 2), ein. In dem familiengerichtlichen Verfahren 28 F 1986/12 wurde am 22. Januar 2013 ein entsprechender Vergleich geschlossen. Am ... 2016 ist der Kläger zu 2) bei dem Kläger zu 1) aus und zur Mutter, Frau R., zurückgezogen.

Die Grundstücke, auf denen sich das von den Klägern bewohnte Wohnhaus befindet, wurden von der in B. wohnenden Eigentümerin, Frau S., aufgrund notariellen Übertragungsvertrages vom 3. Februar 2004 auf die Tochter des Klägers, Frau S., jetzt Z., zu Alleineigentum übertragen. Gleichzeitig erhielten der Kläger zu 1) und Frau R., ein lebenslanges, unentgeltliches und uneingeschränktes Wohnrecht an allen Räumen des übertragenen Wohnhauses, sowie das Recht der alleinigen Nutzung des Gartens sowie Mitbenutzung von Nebengelass, Garage und Hof, als beschränkte persönliche Dienstbarkeit eingeräumt. In dem Übertragungsvertrag ist Frau Z. als "Erwerber" bezeichnet. Unter Abschnitt III. des Vertrages heißt u.a. wörtlich: "Die verbrauchsabhängigen Kosten, wie Energie, Wasser, Abwasser, Heizung, Müllabfuhr tragen die Berechtigten weiterhin selbst. Ferner tragen sie auch alle Kosten wie öffentliche Abgaben (Erschließungskosten, Anliegerbeiträge) und Steuern außerdem die Versicherungen."

Der Kläger zu 1) ist ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge