Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz gegen die Feststellung des Zulassungsausschusses, die Zulassung des Arztes als Vertragsarzt sei nicht wirksam geworden
Orientierungssatz
1. An der vertragsärztlichen Versorgung nehmen nur die in § 95 Abs. 1 S. 1 SGB 5 und die in den §§ 95 ff. aufgeführten Ärzte und Einrichtungen teil. Ist bisher eine Zulassung dem betreffenden Arzt überhaupt nicht erteilt worden, so beurteilt sich die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung allein anhand der gesetzlichen Bestimmungen. Eine entsprechende Feststellung der Zulassungsgremien hat damit nur deklaratorischen Charakter, vgl. BSG, Urteil vom 05. Februar 2003 - B 6 KA 22/02 R.
2. Im Rechtsstreit über deklaratorische Entscheidungen der Zulassungsgremien ist einstweiliger Rechtsschutz daher nicht über einen Antrag nach § 86 b Abs. 1 SGG, sondern allenfalls über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG zu erlangen.
3. Begehrt der Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung, so ist hierzu zunächst die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes erforderlich. Daran fehlt es u. a. dann, wenn ihm im maßgeblichen Zeitpunkt der Zulassungserteilung der Wille gefehlt hat, die Praxis seines Vorgängers an dessen Vertragsarztsitz fortzuführen.
4. Die ablehnende gerichtliche Entscheidung verstößt nicht gegen die verfassungsrechtlich durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit. Für alle Ärzte gelten gleichermaßen die gesetzlichen Vorschriften, nach denen die vertragsärztliche Tätigkeit eine wirksame Zulassung voraussetzt.
Tenor
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Beschluss des Antragsgegners vom 19. Januar 2011 wird abgelehnt.
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
3. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Beschluss des Antragsgegners vom 19. Januar 2011, mit dem dieser im Ergebnis feststellte, die Zulassung der Antragsgegnerin sei nicht wirksam geworden. Hilfsweise begehrt die Antragstellerin die gerichtliche Anordnung, sie bis zum Abschluss ihrer gegen den Beschluss gerichteten Klage (S 3 KA 13/11) vorläufig zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zuzulassen.
I. Der Hauptantrag der Antragstellerin ist unzulässig.
1. Wörtlich ist ihr Antrag darauf gerichtet, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Die Klage gegen den Beschluss vom 19. Januar 2011 hat jedoch bereits kraft Gesetz aufschiebende Wirkung. Das ergibt sich aus § 86a Abs. 1 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Nach dieser allgemeinen Vorschrift, die hier durch keine spezielle vertragsärztliche Vorschrift verdrängt wird (§ 96 Abs. 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung ( SGB V ) betrifft allein die Anrufung des Berufungsausschusses, nicht die Anrufung des Gerichts), hat die Anfechtungsklage auch bei feststellenden Verwaltungsakten aufschiebende Wirkung. Ein Fall des § 86a Abs. 2 oder Abs. 4 SGG, in dem die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise entfällt, ist nicht gegeben. Insbesondere ist der Klage nicht allein deswegen der Suspensiveffekt zu versagen, weil es sich bei dem angegriffenen Beschluss um eine deklaratorische Entscheidung über die Wirksamkeit der Zulassung handelt und nicht um eine Zulassungsentziehung oder sonstige statusverändernde Entscheidung (s. zur Befugnis der Zulassungsgremien, zur Herstellung von Rechtssicherheit deklaratorische Entscheidungen zu treffen, BSG Urt. v. 5. Febr. 2003, B 6 KA 22/02 R, SozR 4-2500 § 95 Nr. 2). Nach den gesetzlichen Vorgaben entfällt die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage nur in den in § 86a Abs. 2 und 4 SGG aufgezählten Fällen; die Aufzählung ist - einschließlich der Verweisungsnorm in § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG - abschließend und im Zweifel eng auszulegen (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 86a Rn. 12). Dass die Zulassungsgremien mit einer deklaratorischen Entscheidung lediglich aussprechen, was sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, lässt nicht die aufschiebende Wirkung eines dagegen eingelegten Rechtsmittels entfallen (in diese Richtung aber LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 28. Nov. 2007, L 7 B 153/07 KA ER, in juris, m.w.N., zur Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit nach Erreichen der Altersgrenze), sondern gibt allein zu der Frage Anlass, ob der betroffene Vertragsarzt sein Rechtsschutzziel über einen Antrag nach § 86b Abs. 1 SGG erreichen kann (dazu sogleich). Es bleibt mithin dabei, dass die Klage der Antragstellerin gegen den Beschluss vom 19. Januar 2011 aufschiebende Wirkung hat, so dass nicht die Anordnung, sondern allein die Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage in Betracht kommt (s. zur Möglichkeit, die au...