Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Terminsgebühr gem RVG-VV Nr 3106 S 2 Nr 3. Teilanerkenntnis. Klagerücknahme im übrigen

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Terminsgebühr nach RVG-VV Nr 3106 S 2 Nr 3 entsteht nur bei einem vollständigen Anerkenntnis und nicht, wenn nach einem Teilanerkenntnis und dessen Annahme die Klägerin ihre Klage im übrigen zurücknimmt; die zT abweichend vertretene Ansicht ist auch keine "herrschende Meinung".

 

Tenor

Die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten werden mit EUR 416,50 genauso festgesetzt, wie es mit dem am 20.09.2011 berichtigten Beschluss der Urkundsbeamtin vom 16.08.2011 geschehen ist.

 

Gründe

I.

Gegen den am 20.09.2011 berichtigten Beschluss vom 16.08.2011 hat der Bevollmächtigte der Klägerin das Gericht angerufen, welches nach § 197 Abs 2 SGG darauf endgültig über die Höhe der von der Beklagten zu erstattenden Kosten zu entscheiden hat.

II.

Die sog. Erinnerung des Bevollmächtigten der Klägerin ist unbegründet.

1.

Die vom Bevollmächtigten oberhalb der Mittelgebühren bestimmten Gebühren sind unbillig gewesen; denn es handelte sich bei der streitig gewesenen Beitragserhebung auf eine Lebensversicherungsauszahlung um eine nicht mehr als durchschnittlich bedeutende Angelegenheit, und angesichts der in der Rechtsprechung des BSG bereits lange für geklärt befundenen und nur in einem Teilaspekt vom BVerfG während dieses Verfahrens in ihrer Beantwortung verfassungsrechtlich für korrekturbedürftig erklärter Fragen war - ebenso wie ihr Umfang - auch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit nur als durchschnittlich anzusehen, so daß nach den Kriterien des § 14 Abs 1 RVG insgesamt nicht mehr als Mittelgebühren der Billigkeit entsprochen haben.

2.

Eine Terminsgebühr nach VV Nr 3106 S 2 Nr 3 ist nicht entstanden.

Voraussetzung für eine solche Gebühr ist nach ihrer Definition, daß “das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet„; damit ist erkennbar nur ein vollständiges Anerkenntnis gemeint und wird nicht der Fall erfasst, dass nach einem Teilanerkenntnis und dessen Annahme die Klägerin ihre Klage im Übrigen zurücknimmt (vgl LSG NRW 10.05.2006 - L 10 B 13/05 SB = AGS 2006, 441 = RVGreport 2006, 347; Thüringer LSG 19.06.2007 - L 6 B 80/07 SF = ASR 2008, 52; Thüringer LSG 26.11.2008 - L 6 B 130/08 SF = AGS 2009, 579; Thüringer LSG 29.07.2009 - L 6 B 15/09 SF; Keller jurisPR-SozR 22/2007 Anm. 6; Keller jurisPR-SozR 24/2008 Anm. 6; a.A. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl, Rnr 6 zu VV 3106; Hartmann, Kostengesetze, 41. Aufl., Rdnr 1 zu VV 3106; SG Trier 25.01.2007 - S 6 SB 122/05 = JurBüro 2008, 86; SG Trier 25.03.2010 - S 5 SB 88/09 = JurBüro 2010, 361; SG Koblenz 05.03.2009 - S 3 SF 28/09 E = Jurbüro 2009, 311).

Daß es (worauf SG Koblenz in seinen o.g. Entscheidungen abstellt) für den Rechtsanwalt mit einem Aufwand verbunden ist, nach einem bloßen Teilanerkenntnis eine vollständige Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache zu erklären, bedeutet demgegenüber schon deshalb kein rechtlich gewichtiges Argument, weil dieser Aufwand wesentlich in Gesprächen mit dem Mandanten besteht, die indessen entsprechend der Vorbemerkung 3 Abs 3, 2. Halbsatz VV RVG für die Entstehung einer Terminsgebühr allein gerade nicht genügen, während die (vom SG Trier a.a.O. für wesentlich gehaltene) Frage, ob die Ausklammerung eines Teilanerkenntnisses aus dem Entstehen einer Terminsgebühr tendenziell zu einer vermehrten (Termins-)Belastung der Sozialgerichte führt, rechtspolitisch gestellt werden mag, aber keine von ihrem klaren Wortlaut abweichende Auslegung von VV Nr 3106 rechtfertigen kann .

Neben dem Wortlaut der VV Nr 3106 Nr 3 bleibt für deren zutreffende (und von keiner “herrschenden„, sondern lediglich auf vereinzelte sozialgerichtliche Entscheidungen ohne eigene Begründung gestützte Meinung einiger Kommentatoren abweichend gesehene) Auslegung wesentlich, daß der Gesetzgeber mit der Ausgestaltung der Gebührentatbestände auch das Ziel verfolgt, die Verfahrenskosten für die nach § 183 Satz 1 SGG kostenprivilegierten Kläger beim Sozialgericht niedrig zu halten (vgl SG Stuttgart 14.11.2011 2011 - S 20 SF 7180/10 E = AGS 2011, 72 unter Hinweis auf SG Duisburg 24.04.2006 - S 21 RJ 140/04).

Noch ungeachtet der Tatsache, daß bei verständige Würdigung des Teilanerkenntnisses der Beklagten darin kein Vergleichsangebot enthalten gewesen ist, vielmehr die Beklagte nur für den Fall einer im Übrigen von der Klägerin erklärten Klagrücknahme die Kostenübernahme entsprechend der Obsiegensquote erklärt hatte, enthält VV Nr 3106 auch weder eine VV Nr 3104 Nr 1 entsprechende Regelung, noch besteht insoweit eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke (vgl LSG NRW a.a.O.; LSG NRW 29.08.2007 - L 2 B 13/06 KN; LSG NRW 15.05.2008 - L 7 B 63/08 AS; LSG NRW 30.03.2009 - L 2 B 20/08 KN P; Schlesw-Holst LSG 14.11.2007 - L 1 B 513/07 = SchlHA 2008, 428; SG Stuttgart 14.01.2011 - S 20 SF 7180/10 E = AGS 2011, 72; SG Stuttgart 24.03.2010 - S 21 SF 7...

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