Leitsatz (amtlich)
Im sozialgerichtlichen Verfahren ist das Honorar eines Rechtslehrers an deutschen Hochschulen bis zur Höhe des Gebührenanspruchs eines Rechtsanwalts im Rahmen des § 193 Abs 2 SGG erstattungsfähig; eine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz ist dabei nicht erforderlich.
Gründe
Die Kammer hatte durch Urteil vom 6. 5. 1986 entschieden, daß bei der Gewährung von Altersruhegeld Zeiten des Kriegsdienstes und der Kriegsgefangenschaft rentensteigernd zu berücksichtigen sind. Es war in dem Verfahren um die grundsätzliche Frage gegangen, ob diese Zeiten bei dem Kläger, der Kirchenbeamter ... war, im Sinne von § 37 c Abs. 1 AVG der Versorgung zugrunde gelegt werden. Den Kläger hatte als Prozeßbevollmächtigter ein Hochschullehrer (für öffentliches Recht) an einer deutschen Universität vertreten. Nach Abschluß des erstinstanzlichen Verfahrens machte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers Kosten in Höhe von 564,30 DM geltend (Höchstgebühr nach § 116 BRAGO, Postgebührenpauschale nach § 26 BRAGO und Mehrwertsteuer). Die Beklagte hat sinngemäß ... Kostenfestsetzung beantragt.
Mit Beschluß vom 5. 11. 1987 hat der Urkundsbeamte des Sozialgerichts Hamburg den Kostenerstattungsantrag des Klägers abgelehnt. Zur Begründung ist in dem Beschluß ausgeführt, daß für eine Berechnung von Kosten nach der BRAGO im Falle eines Hochschullehrers im sozialgerichtlichen Verfahren keine Rechtsgrundlage bestehe.
Der Kläger hat Antrag auf Entscheidung des Gerichts nach § 197 Abs. 2 SGG gestellt und zur Begründung ausgeführt, daß ein Hochschullehrer keiner Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz bedürfe, um als Prozeßbevollmächtigter auftreten zu können. Es habe sich in dem vorliegenden Rechtsstreit um eine schwierige Materie gehandelt, für die der Kläger einen sachkundigen Rechtsanwalt nicht gefunden hätte. Ohne seinen Prozeßbevollmächtigten hätte er zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung ein staatskirchenrechtliches/sozialversicherungsrechtliches Gutachten einholen müssen.
Die Beklagte vertritt demgegenüber den Standpunkt, daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers kein Rechtsbeistand nach dem Rechtsberatungsgesetz im Sinne von Art. 1 § 1 Abs. 1 Rechtsberatungsgesetz sei. Die Anwendung der BRAGO sei aber auf solche Tätigkeiten beschränkt, für die eine Rechtsberatungserlaubnis innerhalb des Rechtsstreits vorgelegt werden könne. Ohne eine solche Rechtsberatungserlaubnis könnten nur die dem Kläger selbst entstandenen Aufwendungen, wie Portokosten, Gebühren für Telefonate. Auslagen für Fotokopien etc. erstattet werden.
Dem Kostenerstattungsantrag ist im beantragten Umfang stattzugeben. Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 SGG können sich die Beteiligten in jeder Lage des Verfahrens durch prozeßfähige Bevollmächtigte vertreten lassen. Die Aufwendungen für einen Prozeßbevollmächtigten sind in der Regel im Rahmen des § 193 Abs. 2 SGG erstattungsfähig (Meyer-Ladewig, SGG, 3. Auflage 1967, § 193 Randziffer 10; Zeihe, SGG, 5. Auflage 1986, § 193 Randziffer 15 b). Es handelt sich zwar nicht um einen Gebührenanspruch im Sinne von § 193 Abs. 3 SGG, da ein solcher Anspruch nur bei Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistandes erstattet werden kann. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen können aber durchaus ein Honorar bis zur Höhe des Gebührenanspruchs eines Rechtsanwalts umfassen. Dies muß insbesondere dann gelten, wenn ein Bevollmächtigter über mindestens die gleichen Kenntnisse und Fähigkeiten wie ein Rechtsanwalt oder ein Rechtsbeistand verfügt und für die klägerische Seite einsetzt. Hiervon muß im vorliegenden Falle ausgegangen werden. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat sich in umfangreichen und sachkundigen Ausführungen mit den ebenfalls umfangreichen und grundsätzlichen Darlegungen der Beklagten auseinandergesetzt. Es waren hierzu Kenntnisse erforderlich, die nur durch eine intensive Beschäftigung mit der Materie auf wissenschaftlichem Niveau zu erzielen sind.
Wegen des besonderen Aufwands des Prozeßbevollmächtigten ist es auch in keiner Weise zu beanstanden, daß dieser mit seiner Honorarforderung den Höchstsatz der nach § 116 BRAGO möglichen Rahmengebühr gewählt hat. Es ist auch nicht zu beanstanden, daß der Prozeßbevollmächtigte einen Betrag von 69,30 DM für Mehrwertsteuer in Ansatz gebracht hat, obgleich er selbst keine Mehrwertsteuer von seinem Honorar abführen muß; denn das dem Kläger zu erstattende Honorar seines Prozeßbevollmächtigten richtet sich in der Höhe nach dem gesamten Gebührenanspruch eines Rechtsanwalts, welcher die Mehrwertsteuer umfassen würde.
Dem Kostenanspruch des Klägers steht auch nicht die Tatsache entgegen, daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers nicht über eine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz verfügt. Wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 30. 7. 1986, Bayerisches Verwaltungsblatt 1986, 696, zutreffend ausgeführt hat, wird eine Prozeßvertretung durch Rechtslehrer an deutschen Hochschulen durch das Rechtsberatungsgesetz nicht ausgeschlossen...