Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 2102. primäre Meniskopathie. Außenmeniskuserkrankung. arbeitstechnische Voraussetzung. Abgrenzung zu statischen Einwirkungen. keine Beidseitigkeitserfordernis der betroffenen Kniegelenke. arbeitsmedizinische Voraussetzung. haftungsbegründende Kausalität. keine Konkurrenzursache: zu erwartende Meniskusdegeneration. - 28- jähriger Profi-Fußballspieler

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für dynamische kniegelenksbelastende berufliche Tätigkeiten im Profi-Sportbereich ist ein „belastungskonformes Schadensbild - bevorzugt am Innenmeniskus“ nicht festzustellen.

2. Die Belastungen bei den Bewegungsabläufen mit häufigen Knick-, Scher- oder Drehbewe-gungen sind biomechanisch andere, als bei hockenden und knienden statischen Belastungen, wie zB. im Bergbau. Es kommt zu Mikrotraumen, die gerade nicht hauptsächlich auf den In-nenmeniskus wirken.

3. Der von der Beklagten benannte „Ausschluss“ eines isolierten Außenmeniskusschadens bei dynamischen beruflichen Belastungen aus dem Schutzbereich der BK 2102 ist weder vom Wortlaut gedeckt, noch ergibt er sich aus den medizinisch-wissenschaftlichen Begrün-dungen oder der Rechtsprechung.

4. Der Kläger war zum Zeitpunkt des nachgewiesenen Außenmeniskusschadens erst 28 Jah-re alt. Damit ist eine zu erwartende Meniskusdegeneration im Sinne einer gleichartigen Häu-figkeit in der Normalbevölkerung fast ausgeschlossen. Insoweit ist es auffällig, dass „vorzeiti-ge“ Meniskusschäden bei Profi-Ballsportlern „in jungen Jahren“ vermehrt auftreten. Ob dies ein Fall des§ 9 Abs 3 SGB VII darstellen kann, kann vorliegend offen bleiben, denn im Einzel-fall des Klägers hat das Gericht die BK 2102 ohne eine gesetzliche Vermutung konkret fest-gestellt.

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 25.5.2021 in der Gestalt Widerspruchsbescheid vom 30.6.2022 wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass die Meniskuserkrankung im rechten Kniegelenk des Klägers eine Berufskrankheit nach Ziffer 2102 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung ist.

3. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt als ehemaliger Fußballprofi die Anerkennung seiner Außenmeniskuserkrankung im rechten Kniegelenk als Berufskrankheit nach der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV). Dort ist unter Ziffer 2102 aufgeführt: Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten (BK 2102).

Der 1975 geborene Kläger war langjährig als Fußballprofispieler, mindestens von 1993-2013, tätig. Der Kläger beantragte die Anerkennung seiner Meniskuserkrankung im rechten Kniegelenk als Berufskrankheit bei der Beklagten.

Nach durchgeführten Ermittlungen der Beklagten nahm Frau Dr. F. unter dem 13.5.2021 beratungsärztlich Stellung und führte zusammengefasst aus, es würden keine konkurrierenden Ursachen im rechten Kniegelenk am Außenmeniskus vorliegen, sodass von einer primären Meniskopathie auszugehen sei. Jedoch liege ein belastungskonformes Schadensbild nicht vor, denn die Verhältnisse am Innenmeniskus seien unauffällig. Die Anerkennung einer BK 2102 würde sie daher nicht empfehlen.

Die Beklagte lehnte die Anerkennung einer BK 2102 mit Bescheid vom 25.5.2021 ab.

Mit Schreiben vom 05.06.2021 legte der Kläger dagegen Widerspruch ein.

Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten führte unter dem 18.2.2022 aus, es würden die Einwirkung im Sinne der BK 2102 beim Kläger gegeben sein.

Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte ein Gutachten von Prof. Dr. R. vom 26.4.2022 ein, der einen Zusammenhang zwischen der Meniskuserkrankung beim Kläger und der beruflichen Tätigkeit aus medizinischen Erwägungen für gegeben erachtete. Wörtlich führte der Sachverständige umfangreich aus:

„Die Kernproblematik ist im vorliegenden Fall die Frage nach dem belastungskonformen Schadensbild beim Profi-Fußballspieler. Die Beratungsärztin Frau Dr. F. hat den Sachverhalt sehr gut und in den medizinischen Bereichen völlig richtig zusammengefasst. Sie hat auch sich orientierend an der gängigen Handbuchliteratur durchaus nachvollziehbar zu den immer noch häufig geäußerten Vorstellungen zu einem belastungskonformen Schadensbild zur BK 2102 positioniert. Dagegen ist formal zunächst nichts einzuwenden. Das Problem liegt im Inhalt. In der Handbuchliteratur wird, um es so vorsichtig wie möglich zu formulieren, „das ewig Gestrige breitgetreten" und das von Medizinern, die fachlich nicht als Knie- oder gar Meniskusexperten gelten dürfen. Das große Problem ist, dass die BK 2102 eine sehr alte Erkrankung ist. Sie wurde 1942 als BK Nummer 26 beschrieben und zwar ausschließlich für Untertage tätige Bergleute. Erst 1988 wurde die BK 2102 für alle Berufsgruppen geöffnet.

Der weiteren Ausgestaltung der BK 2102 haftet aber folgender Makel an, der sehr schön von Dr. Ludolph und Dr. Meyer-Clement in ihrem Handbuch diskutiert worden ist. Hier heißt es: „Die nachfolgenden ...

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