Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 2 S 1 iVm Abs 1 Nr 1 SGB 7. Hilfeleistung in einem Sportverein. Wie-Beschäftigung. Sonderbeziehung: verwandtschaftliches Verhältnis. Handlungstendenz. Tätigwerden der Mutter für die Jugendbasketballmannschaft der Tochter. Zurechnung zur privaten unversicherten Sphäre der Eltern-Kind-Beziehung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine sozial geprägte Sonderbeziehung liegt bei Verwandtschafts-, Freundschafts- und Nachbarschaftsverhältnissen und ähnlichen Gemeinschaften vor.
2. Die Zurechnung einer Hilfeleistung als versicherte Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs 2 S 1 SGB VII scheitert dann daran, dass nicht das "Verrichten einer Arbeitsleistung für einen Dritten (fremden Unternehmer)", sondern eine Verrichtung mit der Handlungstendenz "Pflege der Freundschaft bzw der verwandtschaftlichen Beziehung" oder einer "Tätigkeit im Rahmen des Vereinszweckes" als unversicherte, eigenwirtschaftliche Tätigkeit im Vordergrund steht und damit allein rechtlich wesentlich ist.
3. Die Klägerin wurde konkret "als Mutter" aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehung zu ihrer Tochter tätig. Diese engste Sonderbeziehung unter Verwandten war allein wesentlich und prägend für die Tätigkeiten für "ihre" Tochter.
4. Von Eltern kann solche Tätigkeit erwartet werden, ohne den Rahmen einer geringfügigen Hilfeleistung zu sprengen. Hierunter werden regelmäßig auch Tätigkeiten als Kampfgericht, Vertretung oder kurzzeitiges Leiten des Trainings bei Verhinderung des Trainers, Tätigkeiten als Hilfsassistent oder ein Bringen bzw Abholen der Kinder zu Auswärtsspielen oder Turnieren (auch) bei längeren (Auto-)Fahrzeiten fallen. Solche Tätigkeiten sind der privaten unversicherten Sphäre der Eltern-Kind-Beziehung zuzurechnen und fallen nicht in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob das Ereignis vom 1.6.2019 ein Arbeitsunfall ist.
Mit Schriftsatz vom 29.8.2019 teilten die Bevollmächtigten der 1966 geborenen Klägerin der Beklagten mit, die Klägerin hätte am 1.6.2019 gegen 17:00 Uhr in ihrer Funktion als ehrenamtliche Betreuerin der Basketballmannschaft der Turngemeinschaft H. am M. e.V. einen Unfall erlitten und baten um Prüfung der Feststellung eines Arbeitsunfalles. Als Anlage fügten sie eine Sportschadenmeldung der Sportversicherung des Landessportbundes H1 e.V. bei. Hieraus ergibt sich unter anderem, dass die Klägerin beim Basketballspiel als Betreuerin der Mädchenmannschaft W. am Unfalltage tätig gewesen sei. Als genauen Unfallhergang wurde beschrieben, dass es zu einem Absturz von der mittleren Zuschauertribüne gekommen sei, beim Einfahren der Tribünenteile. Die Klägerin stand dabei auf der obersten Stufe und packte ihren Rucksack zusammen. Sie stand mit dem Rücken zur Halle. Drei Helfer hatten die Tribünenreihe gemeinsam eingefahren und nicht gesehen, dass die Klägerin noch auf der obersten Stufe ihren Rucksack packte. Durch das Einklappen kam es zu einer Fußverletzung. Die Klägerin sei als Helferin/Betreuerin der Mannschaft tätig gewesen. Die Klägerin erlitt bei diesem Ereignis erhebliche Frakturen.
Die weiteren Ermittlungen der Beklagten ergaben unter anderem, dass die Klägerin A. sei und Ende September 2019 wieder in die U. zurückgeflogen ist. Der Verein, die Turngemeinschaft H. am M. e.V., teilte der Beklagten mit, die Klägerin sei zum Unfallzeitpunkt nicht Mitglied des Vereines gewesen. Auch die Frage, ob die Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt für den Verein ausgeübt wurde, weil der Verein den Auftrag gegeben hätte, wurde verneint. Die Klägerin sei als sonstige Tätigkeit im Sinne einer Helferin/Betreuerin während des Basketballspiels der W. ohne Bezahlung tätig gewesen.
In einer Telefonnotiz vom 6.12.2019 zwischen der Vizepräsidentin des Vereines und einem Mitarbeiter der Beklagten ist notiert, dass die Klägerin regelmäßig bei den Spielen der W. (zum Unfallzeitpunkt W1) anwesend gewesen sei, weil ihre Tochter mitspielte. Sie hätte bei den Spielen häufiger die Trainer dahingehend unterstützt, dass sie Statistiken geführt hatte (gespielte Pässe, Drei-Punkte-Würfe, Rebounds etc.). Daneben hatte sie auch schon mal „angeschrieben“ (Anmerkung: Tätigkeit beim Kampfgericht, werde in Jugendmannschaften üblicherweise von Eltern der Spieler übernommen). Die Klägerin sei selbst Basketballspielerin und hatte deshalb die notwendige Kompetenz. In früheren Spielzeiten hatte sie auch schon mal im Training unterstützt, zum Unfallzeitpunkt war sie definitiv nicht mehr als Übungsleiterin tätig gewesen. Eine Vereinsmitgliedschaft hatte nicht bestanden.
In einem weiteren Telefonvermerk vom 18.12.2019 zwischen der Klägerin und einer Mitarbeiterin der Beklagten heißt es, dass die Klägerin berichtete, dass es ein Turniertag gewesen sei. Es fanden mehrere Spiele statt. Sie war nicht als Kampfrichterin eingesetzt, sondern führte für den Trainer Stat...