Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Betriebsweg. Unfallkausalität. alleinige Wirkursache: Motorradfahren auf dem Hinterrad. unversicherte Konkurrenzursache. Abgrenzung: versicherte verbotswidrige Tätigkeit gem § 7 Abs 2 SGB 7
Leitsatz (amtlich)
1. Das Fahren eines Motorrads auf dem Hinterrad, ein Wheely, stellt eine unversicherte konkurrierende Ursache dar, wobei die Beweggründe, insbesondere ein Imponiergehabe oder leichtsinniger Übermut den ursächlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit soweit in den Hintergrund drängen, dass allein rechtlich-wesentlich die eigenwirtschaftliche Motivation und nicht die versicherte Wirkursache dem Unfallgeschehen sein wesentliches Gepräge gibt.
2. Bei der Zurücklegung eines Betriebswegs im öffentlichen Verkehrsraum sind die Wegegefahren die gleichen, die bei der Wegezurücklegung von und nach dem Ort der Tätigkeit nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB 7 bestehen.
3. § 7 Abs 2 SGB 7 ist nicht einschlägig. Die Regelung setzt nach allgemeiner Auffassung voraus, dass das konkrete "verbotswidrige Handeln" überhaupt eine versicherte Tätigkeit darstellt.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob das Ereignis vom 15.5.2018 als Arbeitsunfall festzustellen ist.
Der 1978 geborene Kläger ist als Bauleiter beschäftigt. Am 15.5.2018 gegen 12:00 Uhr war er mit seinem Motorrad auf dem Weg vom Büro zu einer nahegelegenen Baustelle, als er die Kontrolle über das Motorrad verlor und stürzte. Hierbei zog er sich Verletzungen, unter anderem einen offenen Bruch am linken Unterschenkel, zu.
In der Unfallanzeige vom 17.5.2018 wird zum Unfallhergang ausgeführt, dass der Kläger auf der K. beim Schaltvorgang mit der linken Hand von der Kupplung abgerutscht sei. In diesem Augenblick hob sich das Vorderrad und der Kläger verlor die Kontrolle über das Motorrad und stürzte. Im Durchgangsarztbericht vom 22.5.2018 wird unter Punkt 2 „Angaben des Versicherten zum Unfallort, Unfallhergang und zur Tätigkeit, bei der der Unfall eingetreten ist“ angegeben: „Männlicher Patient als Motorradfahrer verunfallt, Motorrad hochgezogen, außer Kontrolle geraten und gestürzt gegen Betonpfeiler.“
Im Bericht der aufnehmenden Polizei zum Verkehrsunfall vom 15.5.2018 ist der Unfallhergang wie folgt niedergelegt: „Vor Ort konnten drei Zeugen festgestellt werden. Alle drei waren Fußgänger und schilderten unabhängig voneinander den Unfallhergang wie folgt: Der Motorradfahrer kam aus Richtung der O. und befuhr die S. in Richtung K.. Dann beschleunigte das Motorrad stark der Fahrer setzte zu einem sogenannten Wheely an. Er fuhr einige Zeit auf dem Hinterrad. Als er dann mit dem Vorderrad wieder aufsetzte, geriet er ins Schleudern und kam von der Fahrbahn ab. Er prallte seitlich gegen einen der aufgestellten Schweinerücken und schleuderte anschließend gegen ein mobiles Verkehrszeichen und blieb schlussendlich hinter der Einmündung des L1liegen.“
Mit Bescheid vom 2.8.2018 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 15.5.2018 als Arbeitsunfall ab und führte zur Begründung zusammengefasst aus, dass es Voraussetzung für die Anerkennung eines Wegeunfalles sei, dass der zurückgelegte Weg in einem inneren sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen müsse und die bei der Zurücklegung des Weges vorliegende Handlungstendenz ausschließlich dieser Absicht diente.
Dieser innere Sachzusammenhang sei immer dann nicht mehr gegeben, wenn persönliche Motive oder das Handeln des Versicherten eine anderweitige Absicht, Aktion oder Handlung erkennen ließe und diese rechtlich wesentlich in den Vordergrund rücken und die versicherte Wegezurücklegung (versicherte Tätigkeit) ihrer Handlungstendenz nach keine wesentliche Bedingung für den Unfall bilden würde. Es müsse davon ausgegangen werden, dass das Fahren auf nur einem Reifen (dem Hinterrad) ausschließlich der eigenen Befriedigung (dem Zurschaustellen der Fahrt) sowie sonstigen persönlichen Motiven gedient hatte. Das vom Kläger später im Verwaltungsverfahren geschilderte versehentliche Fahren auf dem Hinterrad infolge eines Schaltungsfehlers könne hier ausgeschlossen werden, da hier zum einen das vorherige Beschleunigen und zum anderen die zurückgelegte Distanz diesem entgegenstünden. Andernfalls hätte der Kläger umgehend versucht, das Vorderrad wieder „auf die Straße zu bringen“, um anschließend gefahrlos den Heimweg fortzusetzen. Diese durch ausschließlich persönlich geprägte Motive hätten beim Kläger eine betriebsfremde Gefahr selbst geschaffen. Die Handlungstendenz, hier vordergründig einen Betriebsweg zurückzulegen zu wollen, sei deshalb zu verneinen. Der innere Zusammenhang zwischen einem versicherten Weg und dem Unfallereignis sei daher abzulehnen.
Mit Schriftsatz vom 16.8.2018 legte der Kläger dagegen Widerspruch ein. Zur Begründung trug der Kläger vor, er sei auf dem Weg zur Baustelle gewesen. In der S. sei ihm ein Fahrfehler unterlaufen, er hätt...