Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Unterhaltsvorschuss und Kindergeld. minderjähriges Kind in Bedarfsgemeinschaft. keine Absetzung des Pauschbetrages für angemessene Versicherungsbeiträge. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Vom Einkommen Minderjähriger, die in Bedarfsgemeinschaft mit volljährigen Hilfebedürftigen leben, ist keine Versicherungspauschale abzuziehen.

2. Nachgewiesene Beiträge für Versicherungen, die speziell für den Minderjährigen abgeschlossen wurden, sind absetzbar, wenn sie nach Grund und Höhe angemessen sind.

 

Orientierungssatz

1. Die Nichtabsetzbarkeit des Pauschbetrages nach § 3 Nr 1 bzw § 3 Abs 1 Nr 1 AlgIIV vom Einkommen minderjähriger Hilfebedürftiger, soweit diese mit volljährigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben, verletzt nicht Art 3 Abs 1 GG.

2. Die speziell für das minderjährige Kind abgeschlossene Unfallversicherung und Zusatzkrankenversicherung sind bereits dem Grunde nach keine angemessenen Versicherungen iS von § 11 Abs 2 S 1 Nr 3 SGB 2.

3. Auch die Beiträge für eine fondsgebundene Kinder-Rentenversicherung können nicht nach § 11 Abs 2 S 1 SGB 2 vom zu berücksichtigenden Einkommen des Minderjährigen abgesetzt werden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.02.2012; Aktenzeichen B 4 AS 89/11 R)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob von dem Einkommen des Klägers zu 2) Abzüge für Versicherungen vorzunehmen sind und den Klägern infolgedessen im Zeitraum 20.5.2005 - 30.11.2005 höhere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu gewähren sind.

Die Klägerin zu 1) beantragte erstmals am 15.5.2005 bei der Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für sich und den Kläger zu 2). Mit Bescheid vom 24.6.2007 bewilligte die Beklagte den Klägern Leistungen für den Zeitraum 1.6. - 30.6.2005 in Höhe von 232,- € und für den Zeitraum 1.7. - 30.11.2005 in Höhe von monatlich 965,29 €. Hiergegen erhoben die Kläger am 9.7.2005 Widerspruch, mit dem sie insbesondere geltend machten, Leistungen seien bereits ab dem 20.5.2005 zu gewähren, da das Arbeitslosengeld I am 19.5.2005 ausgelaufen sei. Mit Änderungsbescheid vom 25.10.2005 bewilligte die Beklagte für den Zeitraum 1.9.2005 - 30.11.2005 Leistungen in Höhe von monatlich 778,09 € unter Anrechnung eines Einkommens der Klägerin zu 1) aus der Betreuung von Tagespflegekindern und eines Einkommens des Klägers zu 2) aus Kindergeld und Unterhaltsvorschuss.

Mit Bescheid vom 3.11.2005 bewilligte die Beklagte den Klägern für den Zeitraum 1.12.2005 - 31.5.2005 Leistungen in Höhe von monatlich 947,64 €.

Ebenfalls am 3.11.2005 erging ein Änderungsbescheid, mit dem Leistungen für den Zeitraum 1.6.2005 - 30.11.2005 in folgender Höhe bewilligt wurden:

1.6. - 30.6.2005:

 263,36 €;

1.7. - 31.7.2005:

 935,29 €;

1.8. - 31.8.2005:

 944,76 €;

1.9. - 30.11.2005:

 947,64 €,

monatlich.

Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 3.11.2005 Widerspruch ein. Sie führen aus, dass das Einkommen um die Beiträge der Klägerin zu 1) zur Riesterrente, die Versicherungspauschale in Höhe von 30,- € sowie die Werbungskostenpauschale in Höhe von 15,33 € zu bereinigen sei.

Mit Änderungsbescheid vom 7.12.2005 wurden für den Zeitraum 20.5. - 30.11.2005 Leistungen in folgender Höhe bewilligt:

20.5. - 31.5.2005:

 176,54 €

1.6. - 30.6.2005:

 1119,29 €

1.7. - 31.7.2005:

 1113,29 €

1.8. - 31.8.2005:

 1122,76 €

1.9. - 30.11.2005:

 1125,64 €

Dabei wurde für den Monat Mai eine Nachzahlung von Arbeitslosengeld I als Einkommen der Klägerin zu 1) unter Abzug von Aufwendungen für Rentenbeiträge angerechnet. Ferner wurden als Einkommen des Klägers zu 2) Kindergeld in Höhe von monatlich 154,- € und Unterhaltsvorschussleistungen in Höhe von 164,- € für die Monate Mai bis Juli und in Höhe von 170,- € für die Monate August bis November 2005 berücksichtigt. Abzüge von diesem Einkommen wurden nicht vorgenommen. Das Pflegegeld, das die Klägerin zu 1) für die Betreuung von Tagespflegkindern erhält, wurde nicht als Einkommen angerechnet. Die unterschiedliche Höhe der bewilligten Leistungen ergibt sich - neben der Erhöhung der Unterhaltsvorschussleistung - aus Schwankungen in den Kosten der Unterkunft für das selbstgenutzte Eigenheim.

Auch gegen den Bescheid vom 7.12.2005 legten die Kläger Widerspruch ein. Sie führten aus, die Beklagte habe es zu Unrecht unterlassen, von dem Einkommen in Form von Kindergeld und Unterhaltsvorschuss Abzüge für die Riesterrente der Klägerin zu 1), die Versicherungspauschale und die Werbungskostenpauschale vorgenommen.

Mit Bescheid vom 23.5.2006 bewilligte die Beklagten den Klägern Leistungen für den Zeitraum 1.6.2006 - 30.11.2006 in Höhe von monatlich 1036,64 €. Dabei wurden wiederum Kindergeld und Unterhaltsvorschuss als Einkommen des Klägers zu 2) berücksichtigt, Abzüge hiervon wurden nicht vorgenommen.

Am 7.6.2006 legten die Kläger Widerspruch gegen den...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge