Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. freie Verpflegung bei stationärer Unterbringung als Einkommen. Abzug der Versicherungspauschale von Sacheinnahmen. Arbeitslosengeld II. freie Verpflegung bei stationärem Krankenhausaufenthalt. Kürzung der Regelleistung. Einkommensberücksichtigung. marktwerte Sachleistung. Abzug der Versicherungspauschale
Leitsatz (amtlich)
1. Die kostenlose Verpflegung während eines stationären Aufenthaltes berechtigt nicht zu Kürzungen der Regelleistung. Die Verpflegung ist jedoch eine marktwerte Sachleistung und daher als Einkommen nach § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II anzurechnen.
2. Eine Bemessung des Wertes dieser Sachleistung mit 35% der Regelleistung ist nicht zu beanstanden.
3. Von diesen Sacheinkommen ist nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II iVm § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG II-V eine Pauschale in Höhe von 30,- € für Versicherungsbeiträge abzusetzen.
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 16.6.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.8.2006 und des Änderungsbescheides vom 31.8.2006 verpflichtet, der Klägerin für den Monat Juni 2006 Leistungen nach dem SGB II ohne Kürzung infolge der unentgeltlichen Verpflegung während ihres stationären Krankenhausaufenthaltes zu gewähren.
2. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Kürzung von Leistungen nach dem SGB II während eines stationären Krankenhausaufenthaltes der Klägerin.
Die 1966 geborene Klägerin erhält seit Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchenden nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 30.3.2006 bewilligte ihr die Beklagte Leistungen für den Zeitraum 1.5.2006 - 31.10.2006 in Höhe von monatlich 539,72 € unter Berücksichtigung eines Regelsatzes von 345,- €.
Am 13.6.2006 wurde die Klägerin stationär in das Krankenhaus B. B1. aufgenommen. Dies teilte die Betreuerin der Klägerin der Beklagten am 15.6.2006 per Fax mit. Am 16.6.2006 erließ die Beklagte einen Änderungsbescheid, mit dem der Klägerin für den Zeitraum 1.6.2006 - 30.6.2006 Leistungen in Höhe von 509,41 € und für den Zeitraum 1.7.2006 - 31.10.2006 in Höhe von 461,11 € monatlich bewilligt wurden. Der dem Bescheid beigefügte Berechnungsbogen wies einen Gesamtbedarf von 581,86 € (345,- € Regelsatz und 236,86 € Kosten der Unterkunft) aus, davon wurde als “sonstiges Einkommen„ im Juni 2006 ein Betrag von 72,45 €, in den übrigen Monaten von 120,75 € abgezogen. In dem Bescheid heißt es “Wegen stationärem Aufenthalt im Krankenhaus werden gem. § 9 SGB II 35 Prozent der Regelleistung wegen anderweitiger Bedarfsdeckung von der Regelleistung abgezogen. Da das Programm leider keine andere Möglichkeit zulässt, erscheint der Betrag (35 Prozent der Regelleistung) als sonstiges Einkommen, hierbei handelt es sich aber um die Minderung der Regelleistung.„
Hiergegen erhob die Klägerin am 20.6.2006 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, die Regelleistung werde in § 20 Abs. 2 SGB II als absoluter Betrag und ohne Rücksicht auf individuelle Belange festgelegt. Eine Kürzung wegen fehlenden Bedarfs sei nicht vorgesehen. Außerdem teilte die Klägerin unter Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung des B. Krankenhauses mit, dass sie am 18.6.2006 das Krankenhaus wieder verlassen habe.
Mit Änderungsbescheid vom 3.7.2006 bewilligte die Beklagte für den Zeitraum 1.7.2006 - 31.10.2006 Leistungen in Höhe von 581,86 € monatlich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.8.2006 setzte die Beklagte die Kürzung der Regelleistung aufgrund des stationären Aufenthaltes in der Zeit vom 13.6.2006 bis zum 18.6.2006 auf 24,15 € fest. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, ein Leistungsanspruch bestehe nur insoweit, wie der Betroffene hilfebedürftig sei. Die Klägerin habe während der stationären Maßnahme volle Verpflegung erhalten. Damit sei ein Teil des von der Regelleistung erfassten Bedarfs von anderen geleistet worden. Der Wert der Verpflegung sei mit 35% des Regelsatzes zu bemessen, d.h. mit 120,75 €. Für 6 Tage betrage der Wert 6/30 hiervon, d.h. 24,15 €. Daher habe die Klägerin für den Monat Juni 2006 einen Anspruch auf Regelleistung in Höhe von lediglich 320,85 €.
Am 31.8.2006 erließ die Beklagte einen Änderungsbescheid, mit dem der Klägerin für den Zeitraum 1.6.2006 - 30.6.2006 Leistungen in Höhe von 557,71 € bewilligt wurden.
Die Klägerin hat am 27.9.2006 Klage erhoben. Sie verweist auf Entscheidungen des Sozialgerichts Berlin vom 6.3.1006 und des Sozialgerichts Detmold vom 10.1.2006 und trägt vor, dass § 19 SGB II die Höhe des Regelsatzes abschließend bestimme. Abzüge, die mit einem Nichtbestehen eines Teils des vom Regelsatz erfassten Bedarfs begründet werden, sehe das Gesetz nicht vor. Bei einer pauschalen Regelleistungsbestimmung könne ein tatsächlich geringerer Bedarf ebenso wenig zu einer Kürzung des Zahlbetrags führen, wie sich ein Hilfeempfänger jenseits der anerkannten...