Entscheidungsstichwort (Thema)

Honorarverteilungsmaßstab. Rechtmäßigkeit. Fallzahlzuwachsbegrenzung. kleine Praxis

 

Leitsatz (amtlich)

Fallzahlzuwachsbegrenzungen sind nur rechtmäßig, wenn sie kleinen Praxen die Möglichkeit belassen, ihre Fallzahl auf den Durchschnitt der Fachgruppe zu erhöhen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 10.03.2004; Aktenzeichen B 6 KA 3/03 R)

 

Tatbestand

Strittig ist die Höhe des dem Kläger im Quartal I/99 zustehenden  ärztlichen Honorars.

Der Kläger ist seit mehr als 16 Quartalen als Praktischer Arzt zur  vertragsärztlichen Versorgung in Hamburg zugelassen. Mit Honorarabrechnungsbescheid vom 26.8.1999 setzte die Beklagte das dem  Kläger für das Quartal I/99 zustehende Honorar fest. Dabei kürzte sie die  abzurechnenden Punktzahlen in Anwendung der  Fallzahlzuwachsbegrenzungsregelung nach § 9 Abs. 7 ihres  Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) von 853.841, 7 auf 820.456, 2 Punkte,  also um 33.385, 5 Punkte. Dabei legte sie einen Fallzahlanstieg der  Fachgruppe von 669 im Vorjahresquartal auf 751 im Abrechnungsquartal und  des Klägers von 636 auf 753 Fälle zugrunde und bestimmte eine  Fallzahlzuwachsbegrenzung auf 21 Fälle sowie eine individuelle  Kürzungsquote nach Anlage J HVM von 96, 09 %.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 3.9.1999, auf  dessen Inhalt ergänzend Bezug genommen wird, Widerspruch und verwies  darauf, dass Ursache des Fallzahlzuwachses die Übernahme von Patienten aus  anderen Praxen sowie eine Urlaubsvertretung gewesen sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 15.12.1999 zurück. Zur  Begründung hat sie ausgeführt, dass die aus der verbindlichen Bestimmung  des § 9 Abs. 7 HVM resultierende Honorarabstaffelung rechnerisch zutreffend  angewandt worden sei und die vom Kläger vorgetragenen Argumente auch im  Einzelfall keine andere Entscheidung rechtfertigen könnten. Eine  Überprüfung der Abrechnung habe ergeben, dass der Kläger als Folge der  angeführten Praxisaufgaben im Quartal I/99 lediglich zwei Patienten der  Kollegin K. und 14 Patienten der Kollegin H. behandelt habe. Auch die vom  Kläger angeführte wechselseitige Praxisvertretung mit dem Kollegen Sch. sei  nicht geeignet, um von einer Honorarabstaffelung Abstand zu nehmen.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 15.12.1999 richtet sich die vom Kläger  am 7.1.2000 erhobene Klage. Zur Begründung hat der Kläger mit Schreiben vom  1.2.2000 und 19.6.2001, auf deren weiteren Inhalt Bezug genommen wird,  ausgeführt, dass der Zuwachs der Patientenzahl von ihm nicht absichtlich  herbeigeführt worden, sondern schicksalhaft erfolgt sei. Zum einen habe er  Patienten der Kolleginnen H. und K. übernommen, welche ihre Praxis aus  Altersgründe aufgegeben hätten; zum anderen habe er eine Praxisvertretung  für den Kollegen Sch. am 1.2. und vom 8. bis 19.3.1999 übernommen, wodurch  der größte Teil des - der beigefügten Anlage zu entnehmenden -  Patientenzuwachses entstanden sei. Es liege keine Doppelbegünstigung,  sondern eine Doppelbestrafung durch Praxisbudgets und zusätzliche  Verlagerung des Vertretungsrisikos vor.

Die Kläger beantragt,

den Honorarbescheid der Beklagten vom 26.8.1999 abzuändern, den  Widerspruchsbescheid vom 15.12.1999 aufzuheben und die Beklagte zu  verurteilen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts  neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie mit Schriftsatz vom 13.2.2001 zunächst auf die  Gründe der angefochtenen Bescheide Bezug genommen und mit weiterem  Schriftsatz vom 7.5.2001 ausgeführt, dass die von der Beklagten eingeführte  Fallzahlzuwachsbegrenzungsregelung sinnvoll und sachgerecht sei; sie  beinhalte zielerreichungskonforme Ausnahmetatbestände für junge Praxen in  der Aufbauphase, für Praxisübernahmen sowie für krankheitsbedingt geringere  Praxistätigkeit im Vergleichsquartal. Zutreffend sei keine Ausnahme für  Vertretungsfälle vorgesehen, da diese eine maßgebliche Ursache für die  Zunahme der insgesamt abgerechneten Fallzahlen und damit für den  Punktwertrückgang seien; eine Ausnahme würde zu einer unberechtigten  Doppelbegünstigung der betroffenen Praxen führen und insgesamt die  Zielsetzung der Regelung unterlaufen. Ergänzend wird auf den weiteren  Inhalt des Schriftsatzes vom 7.5.2001 Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 22.1.2002, auf den Bezug genommen wird, wurde dem Kläger  gemäß § 9 Abs. 11 HVM für das Quartal I/99 eine Nachvergütung in Höhe von  10.683, 36 Punkten gewährt.  Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Prozessakte und die  Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und  Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Die angefochtenen Bescheide der  Beklagten sind (im Umfang des Streitgegenstandes) rechtswidrig.

Streitgegenstand ist ausschließlich die Frage, ob die Beklagte berechtigt  war, das dem Kläger für das Quartal I/99 zustehende vertragsärztliche  Honorar durch Anwendung der in § 9 Abs. 7 HVM gereg...

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