Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenzahlung nach dem Tod des Leistungsberechtigten. Rücküberweisungspflicht des Geldinstituts. anderweitige Verfügung. Kenntnis des Geldinstituts vom Tod des Rentenbeziehers
Orientierungssatz
1. Auf den Einwand der anderweitigen Verfügung über den Zahlbetrag nach § 118 Abs 3 S 3 SGB 6 kann sich das Geldinstitut ab dem Zeitpunkt, zu dem es Kenntnis vom Ableben des Rentenberechtigten und Kontoempfängers erlangt hat, nicht mehr berufen (vgl LSG Stuttgart vom 2.7.2013 - L 13 R 2202/12, LSG Berlin-Potsdam vom 5.9.2013 - L 4 R 496/08 und vom 9.9.2014 - L 16 R 23/14 sowie LSG Essen vom 24.1.2014 - L 14 R 1000/12, entgegen LSG Celle-Bremen vom 1.7.2014 - L 2/12 R 382/11 und SG München vom 22.1.2015 - S 15 R 2224/14).
2. Dem Geldinstitut werden hiermit keine unzumutbaren Prüfpflichten auferlegt, es soll bei Kenntnis des Todes des Rentenempfängers nur entsprechend dem Vorbehalt des § 118 Abs 3 S 1 SGB 6 handeln.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.153,33 Euro zu bezahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird endgültig auf 7.153,33 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin, eine Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung, macht gegen die Beklagte, ein Kreditinstitut und Anstalt des öffentlichen Rechts, einen Anspruch auf die Rücküberweisung von Rentenleistungen geltend, die an einen Versicherten der Klägerin W.W. (nachfolgend Versicherter) nach dessen Tod auf ein bei der Beklagten geführtes Girokonto gezahlt wurden.
Der Versicherte bezog eine Altersrente und verstarb am 10.09.2008. Die Rentenleistungen wurden jedoch über den Tod des Versicherten hinaus noch bis einschließlich Oktober 2009 auf sein Girokonto ausgezahlt. Das Girokonto wurde am 03.04.2009 durch die Erben des Versicherten aufgelöst. Ab diesem Zeitpunkt wurden die Rentenzahlungen an die Klägerin zurückgeleitet.
Mit Schreiben vom 22.02.2010 wandte sich die Klägerin erstmals an die Beklagte und bat um Informationen in Bezug auf die überzahlte Rente. Die Beklagte legte Kontoauszüge für das betreffende Girokonto vor, auf denen neben den Renteneingängen und diversen Lastschrifteinzügen u.a. eine Bareinzahlung in Höhe von 25.779,99 Euro, Überweisungsgutschriften aus einer Wertpapierabrechnung in Höhe von 9.684,11 Euro und aus einem Kaufvertrag in Höhe von 64.128,21 Euro sowie Überweisungen an die Erben des Versicherten in Höhe von insgesamt 86.392,41 Euro verzeichnet waren.
Auf weitere Nachfrage der Klägerin teilte die Beklagte mit Schreiben vom 25.10.2010 und 20.12.2010 mit, dass sie am 12.09.2008 Kenntnis vom Todesfall erhalten habe. Die Verwaltung des Kontos und die Regelung der Erbschaftsangelegenheit sei durch die Erben erfolgt.
Mit Bescheiden vom 09.07.2010 bzw. 21.01.2011 machte die Klägerin die Rückforderung der überzahlten Rente gegenüber den durch eine Auskunft beim zuständigen Nachlassgericht ermittelten Erben des Versicherten geltend. Diese kamen der Zahlungsaufforderung trotz dreimaliger Mahnung nicht nach.
Mit Schreiben vom 08.02.2011 meldete die Klägerin bei der Beklagten einen Rückforderungsanspruch für die für den Zeitraum Oktober 2008 bis April 2009 erbrachten Rentenleistungen in Höhe von insgesamt 7.153,33 Euro an. Sie berief sich auf § 118 Abs. 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) und darauf, dass nur so lange keine Verpflichtung zur Rücküberweisung überzahlter Rentenleistungen bestehe, wie das Geldinstitut vom Ableben des Versicherten keine Kenntnis habe.
Die Beklagte lehnte eine Zahlung ab. Der Rentenbetrag könne nicht zurückbezahlt werden, da über ihn bereits verfügt worden sei. Vor Eingang des Rücküberweisungsverlangens bestehe keine Verpflichtung des Geldinstituts, Kontoumsätze zu analysieren und vertragliche Verfügungsrechte einzuschränken. Die Klägerin solle sich an die Erben wenden.
Mit Schreiben vom 24.08.2012 forderte die Klägerin die Beklagte erneut erfolglos zur Zahlung auf.
Am 17.12.2012 Klage hat die Klägerin beim Sozialgericht Heilbronn erhoben.
Sie hält an der vorgerichtlich vertretenen Rechtsauffassung fest. Die Beklagte könne sich nicht auf Gutgläubigkeit berufen, weil sie bereits am 12.09.2008 Kenntnis vom Ableben des Versicherten gehabt habe. Auf den Zeitpunkt der Geltendmachung des Rücküberweisungsanspruchs komme es nicht an.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 7.153,33 Euro zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, dass es im Rahmen des § 118 Abs. 3 SGB VI nicht auf Gutgläubigkeit ankomme. Das Geldinstitut habe keine Verpflichtung, das Konto eines verstorbenen Kunden auf mögliche Rentenzahlungen zu überprüfen. Entscheidend sei allein der Zeitpunkt des förmlichen Rückforderungsverlangens.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Sitzungsniederschrift des Termins zur Erörterung des Sachverhaltes vom 09.10.2014, die Gerichtsakte und die von der Klägerin vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Kammer konnte...