Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsweg. Zuständigkeit der Zivilgerichte für Schadensersatzklage eines Leistungserbringers gegen den Sozialhilfeträger aufgrund Mitarbeiterfehlverhaltens im Zusammenhang mit der Abwicklung einer aufgelösten Vereinbarung nach §§ 75ff SGB 12. Amtshaftung. Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses
Orientierungssatz
1. Zur Frage der Rechtswegzuständigkeit für die Schadensersatzklage eines Leistungserbringers gegen den Sozialhilfeträger aufgrund Mitarbeiterfehlverhaltens im Zusammenhang mit der Abwicklung einer aufgelösten Vereinbarung nach §§ 75ff SGB 12.
2. Einem Verweisungsbeschluss kommt nur ganz ausnahmsweise keine Bindungswirkung zu, wenn die Verweisung auf einer Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze oder einem willkürlichen, dh einem offensichtlich unhaltbaren, objektiv unverständlichen, unsachlichen oder nicht mehr zu rechtfertigenden Verhalten beruht (vgl BSG vom 16.11.2006 - B 12 SF 4/06 S).
Nachgehend
Tenor
Das Sozialgericht Hildesheim erklärt sich für sachlich unzuständig.
Das Verfahren wird ausgesetzt und dem Bundessozialgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
Gründe
I.
Die Beteiligten waren bis zum 31.03.2015 Parteien der Leistungs- und Prüfungsvereinbarung vom 20.09.2013 sowie der Vergütungsvereinbarung vom 23.09.2013. Diese Vereinbarungen hatten als öffentlich-rechtliche Verträge ihre Grundlage in §§ 75 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII). Die Beendigung der vertraglichen Beziehungen zum genannten Zeitpunkt beruhten auf einem Vergleich, den die Beteiligten am 19.02.2015 vor dem Sozialgericht Hildesheim schlossen. Die vom Beklagten zuvor am 15.12.2014 ausgesprochene fristlose Kündigung erledigte sich dadurch (S 44 SO 267/14 ER).
Am 20.06.2016 erhob die Klägerin beim Landgericht Göttingen mit einem Antrag auf Prozesskostenhilfe eine Klage auf Schadenersatz mit dem Ziel, den Beklagten zu verpflichten, 25.000,00 € (zzgl. Zinsen) an sie zu zahlen - 8 O 126/16. Begründend trägt sie im Wesentlichen vor, durch das Fehlverhalten namentlich benannter Mitarbeiter des Beklagten im Zusammenhang mit der fristlosen Kündigung der Vereinbarungen seien ihr erhebliche materielle Einbußen entstanden. Ferner seien ihre Persönlichkeitsrechte verletzt worden. Sie stütze ihren Anspruch auf Schadenersatz auf § 823 BGB.
Mit Beschlüssen vom 29.06.2016/04.07.2016 hat das Landgericht Göttingen sich für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Hildesheim verwiesen. Das Landgericht verneinte die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit im Wesentlichen mit der Begründung, vor dem Sozialgericht Hildesheim sei wegen der Wirksamkeit der Kündigung der auf dem SGB XII beruhenden Vereinbarungen ein Verfahren anhängig gewesen.
II.
Nach Anhörung der Beteiligten erklärt sich das Sozialgericht Hildesheim für unzuständig. Es setzt das Verfahren aus und legt es in entsprechender Anwendung von § 58 Abs. 1 Nr. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem Bundessozialgericht als für die Sozialgerichtsbarkeit obersten Gerichtshof vor.
Das Sozialgericht Hildesheim hält sich durch den Verweisungsbeschluss des Landgerichts Göttingen vom 29.06.2016/04.07.2016 nicht für gebunden. Die Bindung für das Gericht, an das verwiesen wird, ergibt sich zwar grundsätzlich aus § 98 Satz 1 SGG iVm § 17a Abs. 2 Satz 3 des Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) und gilt auch dann, wenn die Verweisung prozessuale oder materielle Vorschriften verletzt oder wenn die Verweisung offenbar unrichtig ist. Dem Verweisungsbeschluss kommt deshalb nur ganz ausnahmsweise keine Bindungswirkung zu, wenn die Verweisung auf einer Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze oder einem willkürlichen, dh einem offensichtlich unhaltbaren, objektiv unverständlichen, unsachlichen oder nicht mehr zu rechtfertigenden Verhalten beruht (so BSG, Beschluss vom 16.11.2006, B 12 SF 4/06 S, Rdnr. 8, mwN-juris).
Die Auffassung des Landgerichts Göttingen, das Sozialgericht Hildesheim sei für die Entscheidung über den von der Klägerin geltend gemachten Schadenersatz zuständig, entbehrt jeden sachlichen Grundes und ist offensichtlich nicht haltbar.
Gem. § 51 Abs. 1 Nr. 6a SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten u.a. in Angelegenheiten der Sozialhilfe. Die Beteiligten streiten jedoch nicht über eine Angelegenheit der Sozialhilfe. Vielmehr macht die Klägerin in einer privatrechtlichen Streitigkeit einen Anspruch auf Schadenersatz gegen den Beklagten geltend, der nach ihrem Vorbringen nur aus § 839 Abs. 1 BGB iVm Art. 34 GG stammen kann. Sie wirft bestimmten Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern des Beklagten Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Abwicklung der schließlich zum 31.03.2015 aufgelösten öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen vor. Ein vorsätzlicher oder fahrlässiger Verstoß gegen die einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflich...