Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Unionsbürger bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. kein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs 3 S 1 Nr 2 FreizügG/EU 2004. vorläufige Entscheidung nach § 41a Abs 7 SGB 2. Ermessensreduzierung auf Null. Sozialhilfe. Hilfe zum Lebensunterhalt. kein Leistungsausschluss nach § 23 Abs 3 SGB 12. erlaubter Aufenthalt iS des EuFürsAbk

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für ein Aufenthaltsrecht aus § 2 Abs 1 FreizügG/EU muss bei mehreren Beschäftigungen die einjährige Tätigkeit jedenfalls innerhalb einer Rahmenfrist von zwei Jahren erfüllt sein.

2. Das dem Antragsgegner in § 41a Abs 7 Nr 1 SGB II eingeräumte Ermessen ist nicht bereits deshalb auf Null reduziert, weil durch die Nichterbringung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II regelmäßig das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums gefährdet ist (vgl LSG Celle-Bremen vom 26.5.2017 - L 15 AS 62/17 B ER; LSG Celle-Bremen vom 18.4.2017 - L 13 AS 113/17 B ER; aA LSG Celle-Bremen vom 16.2.2017 - L 8 SO 344/16 B ER; LSG Essen vom 30.11.2015 - L 6 AS 1480/15 B ER).

3. Unionsbürger aus Mitgliedstaaten, die das Europäische Fürsorgeabkommen (juris: EuFürsAbk) unterzeichnet haben, sind nicht gemäß § 23 Abs 3 SGB XII von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem dritten Kapitel des SGB XII ausgeschlossen.

4. Der Aufenthalt eines Unionsbürgers ist im Sinne des Art 1 EFA (juris: EuFürsAbk) "erlaubt", soweit die Vermutung der Freizügigkeit für diesen besteht. Erst eine Verlustfeststellung gemäß § 6 Abs 1 FreizügG/EU oder eine rechtsmittelfähige Befristungsentscheidung gemäß § 7 Abs 2 FreizügG/EU durch die zuständige Ausländerbehörde führt dazu, dass die Freizügigkeitsvermutung für den Unionsbürger entfällt.

 

Tenor

1. Der Beigeladene wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 28. Juni 2017 bis zum 31. Dezember 2017 vorläufig unterhaltssichernde Leistungen nach dem Dritten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII) sowie Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

2. Der Beigeladene trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Gewährung unterhaltssichernder Leistungen sowie Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung an den Antragsteller.

Der am 16. Februar 1973 geborene Antragsteller lebt seit dem 01. August 2013 in der Bundesrepublik Deutschland. Lediglich in der Zeit vom 01. August 2014 bis 26. Juni 2015 unterbrach er seinen Aufenthalt und kehrte nach Griechenland zurück. Er bezog während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland regelmäßig ergänzende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

In der Zeit vom 01. August 2013 bis 20. Juli 2014 arbeitete der Antragsteller als Küchenhilfe in dem Restaurant “A...„ in W…. Nach seinem zehnmonatigen Aufenthalt in Griechenland, kehrte er nach Deutschland zurück und war vom 26. Juni 2015 bis 31. Oktober 2015 im Restaurant “C...„ in T… angestellt. In der Zeit vom 04. November 2015 bis 15. Januar 2016 und vom 01. September 2016 bis 01. November 2016 arbeitete er wiederum als Küchenhilfe in dem Restaurant “Z...„ in K… bzw. “F...„ in U….

Am 30. März 2017 stellte der Antragsteller einen Weiterbewilligungsantrag, welchen der Antragsgegner mit Bescheid vom 04. April 2017 ablehnte. Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II habe, da sich sein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland lediglich aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe und er daher von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ausgeschlossen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller am 12. April 2017 Widerspruch.

Mit Antrag vom 11. Mai 2017 beantragte der Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB XII bei dem Beigeladenen. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 23. Mai 2017 abgelehnt. Zur Begründung führte der Beigeladene aus, dass der Antragsteller erwerbsfähig und damit von den Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen sei. Zudem habe der Antragsteller nach § 23 Abs. 3 SGB XII keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII, da ihm kein Aufenthaltsrecht zustehe, bzw. sein Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller am 29. Mai 2017 ebenfalls Widerspruch.

Am 28. Juni 2017 hat der Antragsteller einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechts-schutzes beim Sozialgericht Itzehoe gestellt.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

1. Den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller ab dem 28. Juni 2017 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

2. hilfsweise, den Beigeladenen im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller ab dem 2...

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