Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen eine Statusentscheidung im Rahmen einer Betriebsprüfung. Auslegung nach Wortlaut, Systematik, gesetzgeberischem Willen sowie Sinn und Zweck der Regelung. § 7a Abs 7 S 1 SGB 4 ist lex specialis gegenüber § 86a Abs 2 Nr 1 SGG

 

Leitsatz (amtlich)

§ 7a Abs 7 S 1 SGB 4 gilt nicht nur bei Statusentscheidungen im Rahmen eines Anfrageverfahrens nach § 7a SGB 4, sondern auch bei Statusentscheidungen im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p SGB 4.

 

Orientierungssatz

Gemäß § 86a Abs 1 SGG hat ein Widerspruch grundsätzlich aufschiebende Wirkung; das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind in § 86a Abs 2 SGG normiert. In Betracht kommt hier allenfalls § 86a Abs 2 Nr 1 SGG. Nach dieser Vorschrift entfällt die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Von dieser Ausnahme regelt § 7a Abs 7 S 1 SGB 4 wiederum eine Rückausnahme: Danach hat eine Klage gegen Entscheidungen, dass eine Beschäftigung vorliegt, aufschiebende Wirkung.

 

Tenor

1. Der Widerspruch der Antragstellerin vom 15.2.2013 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8.2.2013 hat aufschiebende Wirkung.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Gründe

1) Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist zulässig (dazu a) und begründet (dazu b).

a) Statthaft ist ein Antrag auf gerichtliche Feststellung, dass der Widerspruch der Antragstellerin vom 15.2.2013 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8.2.2013 aufschiebende Wirkung entfaltet.

Gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen ein Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Regelung gilt entsprechend, wenn ein Widerspruch bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung entfaltet, die Verwaltung die aufschiebende Wirkung aber nicht beachtet; das Gericht kann dann durch (deklaratorischen) Beschluss die aufschiebende Wirkung feststellen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 86b Rdnr. 5 und 15).

Im vorliegenden Fall besteht zwischen den Beteiligten Uneinigkeit über die Frage, ob der Widerspruch gegen den Bescheid vom 8.2.2013 aufschiebende Wirkung entfaltet. Da die Antragsgegnerin die von der Antragstellerin behauptete aufschiebende Wirkung bestreitet, besteht ein schützenswertes Interesse der Antragstellerin an der gerichtlichen Feststellung.

b) Der Widerspruch der Antragstellerin vom 15.2.2013 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8.2.2013 hat kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung.

Gemäß § 86a Abs. 1 SGG hat ein Widerspruch grundsätzlich aufschiebende Wirkung; das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind in § 86a Abs. 2 SGG normiert. In Betracht kommt hier allenfalls § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG. Nach dieser Vorschrift entfällt die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Von dieser Ausnahme regelt § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV wiederum eine Rückausnahme: Danach hat eine Klage gegen Entscheidungen, dass eine Beschäftigung vorliegt, aufschiebende Wirkung.

Letztere Vorschrift ist hier einschlägig. Denn entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin gilt § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV nicht nur bei Statusentscheidungen im Rahmen eines Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV, sondern auch bei Statusentscheidungen im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV (so auch aus jüngerer Zeit: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26.3.2013, L 1 R 454/12 B ER, Rdnr. 15 - nach Juris; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 6.1.2014, L 2 R 409/13 B ER, Rdnr. 22 - nach Juris; Seewald in: KassKomm, § 7a SGB IV Rdnr. 25; Baier in: Krauskopf, SozKV, § 7a SGB IV Rdnr. 21; Knospe in: Hauck/Noftz, § 7a SGB IV Rdnr. 52; andere Ansicht z.B. Hessisches LSG, Beschluss vom 22.8.2013, L 1 KR 228/13 B ER, Rdnr. 22 ff. - nach Juris; Sächsisches LSG, Beschluss vom 30.8.2013, L 1 KR 129/13 B ER, Rdnr. 28 ff.; Keller, a.a.O., § 86a Rdnr. 13b; Pietrek in: jurisPK-SGB IV, § 7a Rdnr. 142).

Bei Auslegung des § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV unter Berücksichtigung des Wortlauts (dazu aa), der Systematik (dazu bb), des gesetzgeberischen Willens (dazu cc) und des Zwecks der Vorschrift (dazu dd) spricht im vorliegenden Fall mehr für dessen Anwendung als dagegen.

aa) Nach seinem Wortlaut gilt § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV lediglich für Klagen gegen “Entscheidungen, dass eine Beschäftigung vorliegt„.

Die Formulierung ist indes zu eng. Denn die Behörden sind nicht befugt, durch Verwaltungsakt Feststellungen alle...

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