Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit. Versagung von Prozesskostenhilfe. Abweisung früherer Klagen des Antragstellers

 

Leitsatz (amtlich)

Die Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrags begründet für das anhängige Hauptsacheverfahren keine Besorgnis der Befangenheit des Richters.

Auch die Abweisung früherer Klagen des Antragstellers begründet für sich allein keine Besorgnis der Befangenheit des Richters für weitere Klageverfahren desselben Beteiligten.

 

Tenor

Das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen Vizepräsident des Sozialgerichts … wegen Besorgnis der Befangenheit wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

In dem beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) anhängigen Hauptsacheverfahren S 4 SO 2045/12 streiten die Beteiligten um die Übernahme von Kosten für die Anschaffung von Hörgerätebatterien über den vom Beklagten bereits bewilligten Umfang (36 Batterien) hinaus aus Mitteln der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch. Durch Beschluss vom 15.02.2013 lehnte der Vorsitzende der 4. Kammer des SG, Vizepräsident …., den Antrag des Klägers, ihm für die Durchführung des Hauptsacheverfahrens Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, ab mit der Begründung, das angestrengte Klageverfahren biete keine hinreichenden Erfolgsaussichten, weil die angefochtenen Bescheide aller Voraussicht nach rechtmäßig sein dürften. Hierzu verwies er auf die Ausführungen im streitigen Widerspruchsbescheid vom 24.05.2012.

Am 07.03.2013 hat der Kläger beim Landessozialgericht Baden-Württemberg gegen die Prozesskostenhilfeentscheidung Beschwerde eingelegt. Zugleich hat er beantragt, den Rechtsstreit einer anderen Kammer des SG zu übertragen, um ein faires Verfahren sicherzustellen. Vizepräsident …. habe bereits in mehreren seiner Verfahren “mit Gesetzen Recht gesprochen …, die nicht mehr dem Grundgesetz (entsprächen)„ und vermutlich “bereits mehrfach Rechtsbeugung … begangen„.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens des Klägers wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten des Beklagten sowie den der Prozess- und der Prozesskostenhilfe-Akten im Verfahren S 4 SO 2045/12 Bezug genommen.

II.

1.) Das erkennende Gericht wertet die Ausführungen in der Beschwerdeschrift des Klägers vom 07.03.2013 als Ablehnungsgesuch gegen Vizepräsident ….. Über dieses Gesuch entscheidet die 1. Kammer des SG als die nach dem Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 2013 zuständige Kammer für Entscheidungen über Ablehnungsgesuche (§ 60 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫ in der seit dem 01.01.2012 gültigen Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze vom 22.12.2011 ≪BGBl. I Seite 3057≫ i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung ≪ZPO≫) gegen den Vorsitzenden der 4. Kammer des SG.

2.) Das Ablehnungsgesuch ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.

Nach § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO findet wegen Besorgnis der Befangenheit die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich befangen ist, sondern darauf, ob der Beteiligte bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. BVerfG, NJW 2010, 669 sowie BSG SozR 1500 § 60 Nr. 3 und BSG SozR 4-1500 § 60 Nr. 7). Subjektive, unvernünftige Erwägungen scheiden aus. Vielmehr müssen objektiv hinreichende Gründe vorhanden sein, dass der ablehnende Beteiligte unter Berücksichtigung der Ansicht eines vernünftig denkenden Beteiligten Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters haben darf. Es muss ein unsachliches Verhalten des betreffenden Richters vorliegen.

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen Vizepräsident …. unbegründet: Der Umstand, dass der Richter durch den Beschluss vom 15.02.2013 das Prozesskostenhilfegesuch des Klägers im Verfahren S 4 SO 2045/12 abgelehnt hat, ist nicht geeignet, eine Besorgnis der Befangenheit des Richters zu begründen (vgl. BFHE 110, 479; LSG Baden-Württemberg vom 18.01.2006 - L 11 KR 157/06 A - ≪Juris≫ sowie OLG Hamm, NJW 1976, 1459). Auch soweit Vizepräsident …. bereits frühere Klagen des Klägers abgewiesen hat, stellt dies keinen Ablehnungsgrund dar. Dies gilt selbst dann, wenn die Entscheidungen fehlerhaft gewesen wären (vgl. BVerfG, NZS 2011, 92 ff. m.w.N.; vgl. BFH, NVwZ 1998, 663; LSG Baden-Württemberg, a.a.O. sowie LSG Rheinland-Pfalz, BG 1957, 35; ferner Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 60, Rand-Nr. 8r). Eventuelle Verfahrensverstöße stellen ebenfalls grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund dar (vgl. BVerfG, NZS 2011, 92, 93; BSG SozR 4-1500 § 60 Nr. 4 sowie LSG Baden-Württemberg, a.a.O.). Denn eine Richterablehnung ist kein geeignetes Mittel, sich gegen für unrichtig gehaltene - selbst unrichtige - Rechts...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?