Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Bezugsberuf nach längerer Arbeitslosigkeit

 

Orientierungssatz

1. Für die Frage, ob im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen zur Rehabilitation die Erwerbsfähigkeit des Versicherten infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte gefährdet oder gemindert ist, ist nicht auf die Erwerbsfähigkeit unter Berücksichtigung der Tätigkeiten, die ihm im Rahmen der Prüfung eines Anspruches auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zugemutet werden können, abzustellen. Vielmehr ist insoweit auf den bisherigen Beruf oder die bisherige Tätigkeit des Versicherten abzustellen; es genügt eine Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit in diesem bisherigen Beruf.

2. Leistungen zur Teilhabe können daher nicht mit der Begründung verweigert werden, die Erwerbsfähigkeit sei zwar für die bisherige Tätigkeit, nicht aber für Verweisungstätigkeiten iS des § 240 Abs 2 SGB 6 gefährdet oder eingeschränkt.

3. Nichts anderes gilt nach Ablauf einer bestimmten Zeit, in der der Beruf nicht ausgeübt worden ist. Insbesondere führt eine längere Zeit der Arbeitslosigkeit nicht dazu, dass kein Berufsbezug mehr gegeben ist und immer sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes als Bezugsberuf gelten (Anschluss an LSG Berlin-Potsdam vom 10.3.2016 - L 2 R 712/15 = juris RdNr 20 sowie vom 3.12.2015 - L 8 R 1033/14, vgl SG Stralsund vom 20.3.2014 - S 1 R 342/13, so auch SG Karlsruhe vom 13.3.2013 - S 16 R 3178/12, entgegen LSG Chemnitz vom 7.1.2014 - L 5 R 626/12).

 

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Oktober 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2018 verurteilt, dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach zu gewähren.

2. Die Beklagte erstattet dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten.

 

Tatbestand

Zwischen den Parteien ist die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach streitig.

Der 1959 geborene Kläger verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Er war zuletzt von 2002 bis 2004 .als Verkäufer in einem Lebensmittelmarkt in der Getränkeabteilung sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Nach eigenen Angaben war er dabei insbesondere für das Einräumen der Lager und die Organisation in der Getränkeabteilung zuständig. Seitdem ist er arbeitslos.

Der Kläger befand sich in der Zeit vom 12. Juli bis 03. August 2017 in medizinischer Rehabilitation in der … klinik… in B… K… (Abteilung Orthopädie). In dem Entlassungsbericht vom 04. August 2017 wurde bei Arbeitsfähigkeit ein unter dreistündiges Leistungsvermögen des Klägers für die letzte Tätigkeit als Verkäufer im Getränkemarkt sowie ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt angenommen.

Der Kläger beantragte am O1. September 2017 bei der Beklagten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Zur Antragsbegründung führte er aus, er sei körperlich nicht mehr leistungsfähig. Er habe Lungenprobleme beim Laufen und in der Steigung; Heben sei ihm gar nicht mehr möglich. Seine Wirbelsäule sei „hin". Bei Anstrengung bekomme er keine Luft mehr.

Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers durch Bescheid vom 17. Oktober 2017 ab. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei nicht erheblich gefährdet oder gemindert, weil er in der Lage sei, eine zumutbare Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weiterhin auszuüben.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung bekräftigte er im Wesentlichen sein Vorbringen aus der Antragsbegründung.

Die Beklagte hörte ihren sozialmedizinischen Dienst an. Die beratende Ärztin Dr. P… führte aus, es bestehe eine Belastbarkeit für körperlich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Zudem holte die Beklagte einen ärztlichen Befundbericht bei dem den Kläger behandelnden Facharzt für Innere Medizin -Pneumologie-/-Allergologie- Dr. C… ein. Dr. C… teilte mit, der Kläger leide an einer COPD B/11 und einem Lungenemphysem. Die Funktionsbeeinträchtigungen in Form der Luftnot bei Belastung, Husten und Atemgeräusche hätten sich seit Mai 2017 verschlechtert. Der Kläger könne leichte bis mittelschwere Arbeiten in überwiegend stehender Arbeitshaltung vollschichtig, mehr als sechs Stunden verrichten. Aufgrund der eingeschränkten Lungenfunktion sei andauernde Kälte und Nässe zu vermeiden.

Durch Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2018 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben seien nicht erforderlich. Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien ohne erhebliche Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit möglich. Grundsätzlich sei auf den bisher ausgeübten Beruf die bisherige Tätigkeit abzustellen. Bei einer seit zehn Jahren nicht mehr ausgeübten Tätigkeit würden auf dem Arbeitsmarkt verwertbare Fähigkeiten nicht meh...

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